„Friss mich nicht“-Signal – Gefälschter Ausweis trickst Immunabwehr aus

Forschern gelingt synthetische Herstellung eines Schlüsselsignals, das Fresszellen am Angriff hindert
Schema der Immunreaktion sogenannter Makrophagen
Schema der Immunreaktion sogenannter Makrophagen
© Mary Leonard, Biomedical Art & Design, University of Pennsylvania
Philadelphia (USA) - Das Immunsystem schützt den Körper vor einer Vielfalt möglicherweise schädlicher Einflüsse – von Fremdkörpern wie Staub, Dreck oder Splittern bis hin zu Krankheitserregern wie Viren und Bakterien. Die zentrale Aufgabe der körpereigenen Abwehr besteht darin, jegliche Eindringlinge zu erkennen und zu vernichten. Damit das Immunsystem aber zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheiden kann, sind die eigenen Zellen durch ein bestimmtes Signalprotein geschützt, welches die Fresszellen am Angriff hindert. Dieses „Friss-mich-nicht“-Signal konnten US-Forscher nun mit Hilfe eines synthetisch hergestellten, kleinen Eiweißmoleküls imitieren, berichten sie in „Science“. Der gefälschte Ausweis hinderte das Immunsystem im Tierversuch daran, Nanopartikel auszumerzen. Waren diese nicht mit dem Signalmolekül ausgestattet, wurden sie dagegen von den Fresszellen angegriffen. Der entscheidende Schritt war, die Eiweißverbindung auf das Notwendigste zu reduzieren und so ein vergleichsweise kleines und unkompliziertes Peptid zu erhalten, das leicht herzustellen ist. Die Forscher sehen eine Vielzahl möglicher Anwendungen, etwa für Medikamente, medizinische Fäden oder Implantate wie Herzschrittmacher.

„Jetzt kann jeder das Peptid herstellen und es auf was auch immer er möchte drauf packen“, erklärt Erstautorin Pia Rodriguez von der University of Pennsylvania in Philadelphia vereinfacht den praktischen Zweck ihrer Arbeit. Seniorautor und Leiter der Arbeitsgruppe Dennis Discher ergänzt: „Es kann während der Synthese einfach modifiziert werden, um es auf alle Arten von implantierbaren und injizierbaren Dingen aufzubringen, mit dem Ziel, den Körper auszutricksen und diese Dinge als körpereigen zu akzeptieren.“ Bis zum praktischen Einsatz solcher Anwendungen ist zwar noch einige Forschung notwendig, aber ein ganz entscheidender Schritt ist den Forschern bereits gelungen: das Eiweiß auf eine Folge von nur noch wenigen Einzelbausteinen zu reduzieren, so dass es nur noch die nötigsten Informationen enthält, um die Fresszellen zu täuschen.

Rodriguez, Discher und ihre Kollegen hatten sich zunutze gemacht, dass die Fresszellen des Immunsystems körpereigene Zellen in Ruhe lassen. Dafür sorgt ein spezielles Signalprotein auf der Zelloberfläche namens CD47. Diesen Mechanismus hatten die Forscher vor einigen Jahren ausgemacht; andere Wissenschaftler hatten zwischenzeitlich die Struktur des Proteins entschlüsselt, also dessen Aminosäuresequenz. Auf dieser Information aufbauend entwickelten Rodriguez und Kollegen die kürzest mögliche Folge von Aminosäuren, die dieselbe Wirkung entfaltet. Dieses Peptid kann somit als eine Art gefälschter Ausweis für das Immunsystem dienen.

Die Wirksamkeit dieses Peptids testeten sie in Versuchen mit genetisch veränderten Mäusen, deren Immunsystem auf das menschliche CD47 reagierte. Sie verabreichten den Nagern zwei Sorten von Nanopartikeln – die Hälfte mit gefälschten Ausweisen versehen, die andere Hälfte nicht. Anhand von regelmäßigen Blutproben nach der Injektion stellten sie fest: 20 bis 30 Minuten später waren bis zu viermal soviel Nanopartikel mit dem Peptid übrig.

Insbesondere im medizinischen Bereich sehen die Forscher eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten. „Aus der Perspektive unseres Körpers werden eine Pfeilspitze vor tausend Jahren und ein Herzschrittmacher heutzutage gleich behandelt – als fremde Eindringlinge“, erläutert Rodriguez. „Wir würden aber wirklich begrüßen, wenn Dinge wie Herzschrittmacher, medizinische Fäden und Transportmechanismen für medizinische Wirkstoffe keine Entzündungsreaktionen seitens des Immunsystems verursachen würden.“ Mit der synthetischen Herstellung des CD47-Peptids hoffen die Forscher, eine gute Grundlage gefunden zu haben, dies zu verhindern.

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