Wir und das Tier

Dass der Mensch sich vom Tier abgrenzt, ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Erst ab dem Alter von fünf Jahren lernt der Mensch diese Haltung einzunehmen
Evanston (USA) - Treuer Freund, kuscheliges Wollknäuel, Geschöpf mit siebtem Sinn, wildes Wesen, Monster, Plage, Ungeziefer oder reale Gefahr - das alles ist das Tier für den erwachsenen Menschen, je nachdem, um was für ein Tier es sich handelt und in welcher Situation sich der Mensch befindet. In den allermeisten Fällen ist das Tier für den Menschen jedoch das Andere. Der Mensch sieht sich als vom Tier unterschieden. Doch wann entsteht diese Haltung oder war sie vielleicht schon immer da? Amerikanischen Forschern ist es jetzt gelungen, das Alter zu ermitteln, ab dem sich die Beziehung des Menschen zum Tier grundlegend wandelt. Dies geschieht um das fünfte Lebensjahr herum, schreiben die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences". Mindestens bis zum dritten Lebensjahr verharren Menschenkinder offenbar in der Annahme, dass Tiere nur etwas anders aussehen als Menschen, aber ansonsten die gleichen Eigenschaften und Fähigkeiten hätten wie ein Mensch.

64 Kinder im Alter von drei und fünf Jahren wurden in Experimenten spielerisch mit scheinbaren Eigenschaften konfrontiert und sollten jeweils sagen, ob bestimmte Tiere diese Eigenschaften oder Merkmale auch hätten. So sagte das Team um Douglas Medin von der Northwestern University etwa zu den Kindern: "Menschen haben einen Andro in ihrem Körper. Was meinst du, hat das und das Tier, die und die Pflanze und dieses oder jenes [unbelebte] Objekt auch einen Andro in sich?" Die Dreijährigen hatten kaum Probleme damit, das "Andro" oder irgendeine andere vorgebliche Eigenschaft des Menschen auch auf Tiere, zumindest auf Säugetiere, zu übertragen. Bei Pflanzen und Artefakten hingegen sahen sie durchaus einen Unterschied zum Menschen. Die Fünfjährigen zeigten sich im Vergleich dazu wesentlich skeptischer, was die Übertragung von Eigenschaften von Mensch auf Tier oder gar von Tier auf Mensch anging.

"Wenn unsere grundlegenden Perspektiven gegenüber der natürlichen Welt und des Platzes, den der Mensch darin einnimmt, gestaltet werden durch Erfahrung, kulturelle Annahmen und Praktiken, dann könnte es sein, dass Kinder mit unterschiedlichen Hintergründen verschiedene Vorstellungen von der Welt hegen, die auch bei Schuleintritt noch aktuell sind", schreiben die Autoren der Studie. "Es ist daher wichtig, herauszufinden, welche Perspektiven Kinder am frühesten und mit der geringsten Anstrengung entwickeln, und zu schauen, wie diese Perspektiven im Laufe der Entwicklung ausgestaltet werden."

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Quelle: "Anthropocentrism is not the first step in children's reasoning about the natural world", Patricia Herrmann, Sandra R. Waxmam, Douglas L. Medin, PNAS, 17.05.2010


 

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