Was das Gehirn in der Stille zwischen zwei Songs tut
"Das Gehirn ist immer dabei, wenn es um Antizipation und Vorhersage geht", sagt Josef Rauschecker von der Georgetown University. "Doch bisher hat niemand gezeigt, wie diese Vorgänge konkret im Gehirn aussehen."
Studentische Versuchspersonen fanden sich mit einer CD ihrer Lieblingsmusik zu einem Experiment ein. Ein Teil der Versuchsteilnehmer hörte dann die jeweilige Lieblings-CD, ein anderer Teil der Gruppe bekam hingegen eine unbekannte Musik vorgespielt. Josef Rauschecker und seine Kollegen verglichen dann die Gehirnaktivität bei beiden Gruppen mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanz-Tomografie. Es zeigte sich, dass die Gehirnstrukturen bei denjenigen, die die bekannten Musikalben hörten, in den Pausen zwischen zwei Stücken geradezu vor Aktivität brummten. Bei denen, die wenig bekannte Musikstücke hörten, war keine besondere Gehirnaktivität während der Stille zwischen zwei Songs zu beobachten.
"Das klingt sehr plausibel, ist aber keineswegs einfach", sagt Rauschecker. "Es versteht sich nicht von selbst, dass eine zeitliche Abfolge im Gehirn gespeichert wird, denn das Gehirn hat ja keine beweglichen Teile wie ein Cassettenrecorder oder ein CD-Player. Das ganze Gehirn muss sich daran beteiligen, diese Sequenz auszuführen." Bei den Studenten, die unter Beobachtung ihre Lieblingsmusik hörten, zeigten sich in den Musikpausen Aktivitäten im Gehirn, die vom präfrontalen Cortex bis zum prämotorischen Cortex reichten. Der prämotorische Cortex ist dafür zuständig, komplexes kognitives Verhalten zu planen. Zu seinem System gehören auch die Basalganglien und das Kleinhirn (Cerebellum), die den Körper darauf einstellen, zu handeln - in diesem Fall zu singen oder sich im Takt zu bewegen.
"Wir hätten nicht gedacht, dass die prämotorischen Areale hier ebenfalls beteiligt sind", sagt Rauschecker. "Aber schließlich haben alle Tiere eine gewisse Möglichkeit, motorische Aktivitäten im Geiste vorwegzunehmen. Darum können beispielsweise Vögel singen. Aber der Mensch ist das Tier mit den meisten Assoziationen, weshalb er auch so einen ausgedehnten präfrontalen Cortex hat. Wir haben Sequenzen, die wir speichern müssen, damit wir vorhersagen können, was wir als nächstes tun werden."