Volkskrankheit Rückenschmerzen oft unterschätzt

Experten fordern genauere Einteilung sogenannter unspezifischer Rückenschmerzen für gezieltere Therapien
Hamburg - Rückenschmerzen ohne spezifische Ursache werden häufig unterbewertet. Die Prognose ist deutlich schlechter als allgemein angenommen, denn bei vielen Patienten legen sich die Beschwerden nicht, sondern werden vielmehr chronisch. Davor warnten Mediziner auf dem Europäischen Schmerz-Kongresses EFIC 2011 in Hamburg. Sie wollen damit die unterschätzte Problematik des zur Volkskrankheit gewordenen Leidens ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rufen. Für bessere und gezieltere künftige Therapien fordern die Experten, die sogenannten unspezifischen Rückenschmerzen exakter zu unterteilen. Um diesem Ziel näher zu kommen, soll auch ein Aktionsplan zur Bekämpfung von chronischem Rückenschmerz auf der diesjährigen Europäischen Woche gegen Schmerz (European Week Against Pain - EWAP, 10. bis 14. Oktober 2011) vorgestellt werden.

"Es gibt ganz erstaunliche Defizite sowohl in Bezug auf das Verständnis der grassierenden unspezifischen Rückenschmerzen als auch in Bezug auf adäquate Optionen, um mit ihnen umzugehen", erläuterte Maarten van Kleef von der Universität Maastricht. Man brauche dringend eine Nomenklatur, die darüber hinausgeht, Rückenschmerz einfach als "unspezifisch" zu klassifizieren. Die Mediziner halten eine Unterteilung in Untergruppen für sinnvoll, um Ort und Ursache des Schmerzes zu beschreiben - zum Beispiel Schmerz aufgrund von Bandscheibenproblemen oder aufgrund einer Degeneration des Iliosakralgelenks. "Wir erwarten uns davon mehr und bessere Rückenschmerzforschung und zielgenauere Strategien für die Behandlung", so van Kleef.

Rückenschmerzen sind in den vergangenen Jahrzehnten in den Industrienationen zum Volksleiden geworden: 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung leiden mindestens einmal im Leben an irgendeiner Art von Rückenschmerz. Bei 30 bis 50 Prozent ist der Nacken betroffen, bei 16 bis 20 Prozent die Brustwirbelsäule und bei mehr als 70 Prozent die Lendenwirbelsäule. Rund 95 Prozent dieser Schmerzphänomene sind unspezifischer Natur. "Dass 80 Prozent der Patienten, die wegen unspezifischer Rückenschmerzen in Krankenstand gehen, ihre Arbeit binnen weniger Wochen wieder aufnehmen, führte zu der weit verbreiteten Fehlauffassung, dass sie in dieser Frist von ihren Schmerzen genesen", erläutert van Kleef. Für eine Mehrheit von 65 Prozent sehe die traurige Wahrheit jedoch so aus, dass der Schmerz chronisch wird.

Therapeutische Ansätze gibt es viele, darunter körperliches Training, Physiotherapie und auch kognitive Verhaltenstherapie. Weitere Behandlungsformen reichen von der Linderung mit Schmerzmitteln, die allerdings nur kurzfristig Einsatz finden sollte, über andere Pharmazeutika wie muskelentspannende Medikamente bis hin zu chirurgischen Eingriffen.

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Quelle: Europäischer Schmerz-Kongress EFIC 2011, Hamburg


 

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