Versteck entdeckt: Tuberkulosebakterien überdauern im Knochenmark

Die Erreger können im Innern von Stammzellen in einem Ruhezustand jahrelang überleben, bis sie wieder aktiv werden
Bei Tuberkulosepatienten lassen sich in bestimmten Typen von Knochenmarksstammzellen (grün) die Krankheitserreger (rot) nachweisen.
Bei Tuberkulosepatienten lassen sich in bestimmten Typen von Knochenmarksstammzellen (grün) die Krankheitserreger (rot) nachweisen.
© Bikul Das
Stanford (USA) - Durch eine Behandlung mit Antibiotika lassen sich Tuberkuloseerreger nicht vollständig aus dem Körper eliminieren. Jahre später kann die Krankheit erneut ausbrechen. Bisher war nicht bekannt, wie und wo die Mikroben so lange überdauern können. Jetzt haben amerikanische und indische Forscher bei behandelten Patienten erstmals lebensfähige Tuberkelbakterien im Innern von Stammzellen des Knochenmarks nachgewiesen. In diesem Versteck sind die Erreger sowohl vor Antibiotika als auch vor der Immunabwehr geschützt. Um auch diese inaktiven Bakterien abzutöten, sind völlig neue Therapieformen nötig, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Science Translational Medicine“.

„Wir müssen nun erforschen, wie die Bakterien diese winzige Population von Stammzellen finden und infizieren und wie es nach einer Behandlung zu einer Reaktivierung kommt“, sagt Bikul Das aus dem Forscherteam von Dean Felsher an der Stanford University. Zusammen mit indischen Kollegen und Forschern des Forsyth Institute in Cambridge führte er zunächst Experimente mit Kulturen von Knochenmarksstammzellen gesunder Menschen durch. Dabei zeigte sich, dass der Tuberkuloseerreger Mycobacterium tuberculosis speziell Stammzellen mit einem bestimmten Oberflächenprotein (CD271) infiziert und im Innern dieser Zellen mindestens zwei Wochen lebensfähig bleiben kann. Versuche mit Mäusen, die mit Mykobakterien infiziert wurden, bestätigten, dass diese Bakterien nach Vermehrung in der Lunge in denselben Typ von Knochenmarkszellen eindringen und dort überdauern können. Schließlich untersuchten die Forscher Knochenmarksproben von neun Tuberkulosepatienten, die als geheilt galten. Bei acht Personen konnten sie DNA von Tuberkelbakterien nachweisen, in zwei Fällen ließen sich die Mikroben daraus auch anzüchten.

Stammzellen des Knochenmarks sind ein optimales Versteck für Krankheitserreger: Die Zellen wehren eindringende Antibiotika effektiv ab und teilen sich nur selten; außerdem bleibt die Infektion dem Immunsystem verborgen. Es gebe eine naheliegende Vermutung darüber, wie die inaktiven Bakterien wieder reaktiviert werden könnten, sagt Das. Denn es sei bekannt, dass diese Stammzellen zum Ort einer Entzündung wandern – beispielsweise in die Lungen – und sich dort teilen. Das könnte dann auch die Tuberkelbakterien wieder zur Vermehrung anregen. Es wäre durchaus möglich, dass auch andere Krankheitserreger diese Stammzellen auf ähnliche Weise nutzen wie die Mykobakterien, sagt Felsher. Um solche vorübergehend inaktive Mikroben aus dem Körper zu eliminieren, wäre die Entwicklung ganz neuer Behandlungsformen nötig.

Unter den Infektionserregern ist das Tuberkulosebakterium nach dem AIDS-Virus derjenige, der weltweit die meisten Todesopfer fordert. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam es 2011 zu 8,7 Millionen Neuerkrankungen und zu 1,4 Millionen Todesfällen. Mehr als zwei Milliarden Menschen sind infiziert. Die mehrmonatige Behandlung einer akuten Erkrankung durch Einsatz verschiedener Antibiotika verläuft meist erfolgreich. Die Gefahr einer späteren Reaktivierung – beispielsweise in Form einer Alterstuberkulose – bleibt jedoch bestehen.

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