Überreaktion des Immunsystems macht Grippe erst gefährlich
"Lange Zeit glaubte man, dass die Gewebeschäden, die eine Grippe verursacht, auf dem Virus selbst beruhen. Daher konzentrierte man sich darauf, antivirale Medikamente zu entwickeln", sagt Michael Oldstone, der zusammen mit Hugh Rosen am Scripps Research Institute in La Jolla das Forscherteam leitet. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Immunreaktionen des Körpers für die großen Schäden in den Lungen verantwortlich sind. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass man zwischen der zerstörerischen Wirkung des Cytokinsturms und den durch die Virusvermehrung verursachten Zellschäden unterscheiden müsse, sagt Rosen. Die Forscher fanden heraus, dass die Cytokine aus Zellen der Blutgefäßwände freigesetzt werden und dann unkontrollierte Entzündungsreaktionen auslösen. An diesem Prozess ist ein Signalprotein in der Hülle der Blutgefäßzellen beteiligt, der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor. Mit einem Wirkstoff, der an den Rezeptor bindet und seine Funktion verändert, konnten die Wissenschaftler das Ausmaß der Immunreaktion begrenzen und tödliche Lungenschäden bei Mäusen verhindern, die mit dem menschlichen Grippevirus H1N1 infiziert waren.
Die Forscher hoffen nun, ein neues Grippemittel entwickeln zu können, das zusammen mit einem antiviralen Medikament wie Tamiflu eingenommen werden könnte, um für einen milderen Krankheitsverlauf zu sorgen. Möglicherweise ließe sich auch vorab ermitteln, welche Infizierten durch ein erhöhtes Risiko für einen Cytokinsturm besonders gefährdet sind. Überschießende Entzündungsreaktionen der Erkrankten waren wahrscheinlich für die zahlreichen Todesopfer verantwortlich, die die Spanische Grippe 1918 - 1919 weltweit gefordert hat. Schwere Krankheitsverläufe nach Infektionen mit dem Vogelgrippevirus H5N1 oder dem Schweinegrippevirus H1N1 waren ebenfalls verbunden mit einem Cytokinsturm, der das Lungengewebe ungewöhnlich stark schädigte.