Strahlenkrankheit: Antibiotika können tödlichen Verlauf verhindern
"Radioaktive Bestrahlung führt dazu, dass Bakterien und Endotoxine ins Blut gelangen und gleichzeitig die Immunabwehr des Körpers geschwächt wird", erklärt Eva Guinan vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston. Zusammen mit Ofer Levy von der Harvard Medical School und Kollegen hatte sie zunächst Patienten untersucht, die vor einer Knochenmarkstransplantation bestrahlt werden mussten. Wie auch bei einer Freisetzung von Radioaktivität durch einen Unglücksfall bewirkt diese ionisierende Strahlung, dass hauptsächlich teilungsaktive Zellen im Körper abgetötet werden. Dadurch sinkt die Produktion von Blut- und Immunzellen und die ständig erforderliche Erneuerung der Darmschleimhaut ist gestört. Das erleichtert es Darmbakterien, in die Blutbahn vorzudringen, wo dann nicht genügend Immunzellen für ihre Abwehr zur Verfügung stehen. Unter anderem können bakterielle Zellbestandteile, sogenannte Endotoxine, nicht mehr vollständig inaktiviert werden, da die weißen Blutkörperchen das dazu notwendige Protein BPI (Bactericidal/Permeability-Increasing Protein) nicht mehr in ausreichendem Maß produzieren. Zur Abtötung der Bakterien hat sich bei diesen Patienten ein Antibiotikum aus der Gruppe der Fluorchinolone, beispielsweise Ciprofloxacin, bereits als wirksam erwiesen. Zur Neutralisation der Endotoxine stünde eine gentechnisch hergestellte Form des BPI zur Verfügung, das auch starke Entzündungsreaktionen verhindert.
Die Forscher setzten nun beide Mittel gleichzeitig ein, um ihre Wirksamkeit für die Behandlung der Strahlenkrankheit zu prüfen. Dazu dienten Versuche mit Mäusen, die einer hohen Dosis Gammastrahlung ausgesetzt wurden. Ohne Behandlung starben 95 Prozent der Tiere innerhalb von 30 Tagen. Von den Tieren, die täglich nur das Antibiotikum erhielten, überlebten etwa 40 Prozent. Verabreichten die Forscher den Mäusen zusätzlich zweimal täglich BPI-Injektionen, waren nach einem Monat noch 70 bis 80 Prozent am Leben. Bei diesen Tieren normalisierte sich auch die Produktion neuer Blutzellen deutlich schneller. "Der Behandlungserfolg bei den Mäusen ist ein Hinweis darauf, dass die Kombination der beiden Medikamente beim Menschen ähnlich gut wirksam sein könnte", sagt Levy. Andere bisher eingesetzte Therapien zum Schutz vor Strahlenschäden sind nur wirksam, wenn sie kurz nach der Strahleneinwirkung eingeleitet werden. Im Gegensatz dazu könnte die jetzt erprobte Therapie eher praktikabel und erfolgreich sein, um im Katastrophenfall eine große Zahl von Menschen zu behandeln.