Strahl aus hochenergetischen neutralen Atomen

Ultrakurze Laserpulse und geschickte Neutralisierung sind das Herzstück eines neuartigen kompakten Beschleunigers
Ein Laserpuls erhitzt die Atome eines Argon-Nanoclusters. Die Elektronen (schwarz) fliegen zuerst davon und regen die Atome in benachbarten, kalten Nanoclustern (grün) zu höheren Energiezuständen an. Dadurch geben diese ihre Elektronen an die nachfolgenden, hochenergetischen Argon-Ionen (orange) ab und neutralisieren diese (blau).
Ein Laserpuls erhitzt die Atome eines Argon-Nanoclusters. Die Elektronen (schwarz) fliegen zuerst davon und regen die Atome in benachbarten, kalten Nanoclustern (grün) zu höheren Energiezuständen an. Dadurch geben diese ihre Elektronen an die nachfolgenden, hochenergetischen Argon-Ionen (orange) ab und neutralisieren diese (blau).
© Rajeev Rajendran, TIFR
Mumbai (Indien) - Geladene Teilchen auf enorme Energien zu beschleunigen ist heute keine Kunst mehr. Die großen Teilchenbeschleuniger erreichen die höchsten menschgemachten Energien von mehreren Billionen Elektronenvolt, aber auch Röhrenfernseher oder Röntgenröhren erreichen etliche tausend Elektronenvolt. Neutrale Atome hingegen sind wesentlich schwieriger auf hohe Energien zu bringen. Doch mit kompakten Geräten kommt man heute nur in den Bereich einiger Tausendstel Elektronenvolt. Indische Physiker haben diese Grenze nun um gleich mehrere Größenordnungen durchbrochen. Im Fachblatt „Nature Physics“ haben sie ein neues Verfahren vorgestellt, neutrale Atome auf kinetische Energien von bis zu einer Million Elektronenvolt zu bringen. Die nötigen Apparaturen passen auf einen Tisch und könnten umfangreiche Anwendung in der Lithographie und in der Plasmaphysik finden.

„Die Beschleunigung neutraler Atome ist eine wichtige komplementäre Technologie zu den geladenen Teilchen. Denn neutrale Teilchen werden nicht von elektrischen und magnetischen Feldern beeinflusst und können so tiefer in Materie eindringen als Ionen“, erklärt Rajeev Rajendran vom Tata Institute of Fundamental Research in Mumbai.

Der neue, kompakte Beschleunigertyp basiert auf einem dreistufigen Prozess. Im ersten Schritt trifft ein ultrakurzer intensiver Laserstrahl auf einen Nanocluster neutraler Argon-Atome. Der Laserpuls ionisiert die Atome sehr effektiv, wobei starke Elektronenverluste bis hin zu zwölffacher Ionisierung auftreten. Im zweiten Schritt fliegen die freigesetzten Elektronen, die bis zu einige Kiloelektronenvolt kinetische Energie besitzen, durch benachbarte kalte Nanocluster. Dort regen sie die Atome durch Kollisionen zur Bildung von Rydberg-Zuständen an. Dies sind hochangeregte Zustände, bei denen die Elektronen nur noch schwach gebunden sind und deshalb leicht an andere Atome abgegeben werden können.

Im dritten Schritt, wenige billionstel Sekunden nach dem Laserpuls, folgen die etwas langsameren Ionen den Elektronen. Durch die elektrische Abstoßung der stark positiv geladenen Ionen im Nanocluster explodiert dieser geradezu. Dabei werden die Argon-Ionen bis hin zu einem Mega-Elektronenvolt beschleunigt. Auf ihrem wenige Millimeter langen Weg durch die kalten Nanocluster wechselwirken sie mit den Rydberg-Zuständen und streifen den Atomen die hochangeregten Elektronen ab. Dabei werden sie wieder neutralisiert und fliegen als hochenergetischer neutraler Strahl weiter. Die Forscher überprüften ihre Apparatur auch mit Kohlendioxidgas und konnten ihre Ergebnisse, insbesondere den Elektronentransfer über Rydberg-Zustände, bestätigen. Die Eigenschaften des Atomstrahls lassen sich über die Clustergröße und die Laserparameter justieren.

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