Soziale Phobie: Positive Einstellung zum Stress hilft

Bei irrationalen Ängsten vor anderen Menschen hilft es – besser als Entspannungsübungen – die körperlichen Reaktionen als nützlich zu akzeptieren
Für die Messung von sozialem Stress muss die Testperson einen 5-Minuten-Vortrag vor zwei kritischen Zuhörern halten.
Für die Messung von sozialem Stress muss die Testperson einen 5-Minuten-Vortrag vor zwei kritischen Zuhörern halten.
© Brandon Vick, University of Rochester
Rochester (USA) - Einem angriffslustigen Bären gegenüberzustehen kann ganz ähnliche körperliche Reaktionen auslösen wie ein Auftritt vor Publikum. Im ersten Fall ist eine erhöhte Alarmbereitschaft zweifellos biologisch sinnvoll. Aber auch lästiges Lampenfieber hat einen Nutzen, da die Erregung dabei helfen kann, eine bevorstehende körperliche oder geistige Leistung zu meistern. Von einer solchen positiven Einstellung zu diesen unangenehmen Empfindungen können Menschen mit einer sozialen Phobie profitieren, berichten amerikanische Psychologen: Wenn eine Leistung gefordert ist, seien die üblicherweise empfohlenen Entspannungsübungen weniger hilfreich, schreiben die Forscher im Fachblatt „Clinical Psychological Science“. In ihrer Studie erwies es sich dagegen als erstaunlich wirksam, die Betroffenen einfach über den Nutzen von Stressreaktionen in Angstsituationen aufzuklären.

„Das Problem ist, dass wir glauben, Stress sei immer schlecht“, sagt Jeremy Jamieson von der University of Rochester. Dabei ist es sehr sinnvoll, wenn beispielsweise bei Gefahr das Blut schneller durch Muskeln und Hirn strömt und damit eine notwendige Höchstleistung ermöglicht. Aus diesem Grund kommt es auch bei Lampenfieber oder Prüfungsstress zu Herzklopfen, Hitzegefühlen oder feuchten Händen. Menschen mit einer sozialen Angststörung leiden besonders stark darunter, da sie es als Bedrohung empfinden, wenn sie eine Leistung erbringen müssen und dabei von anderen beurteilt werden. Um das Ausmaß von sozialem Stress zu messen, lassen Psychologen die Testperson spontan vor anderen Menschen sprechen und messen die dadurch ausgelösten körperlichen Reaktionen.

Jamieson und seine Kollegen erteilten 69 Erwachsenen die Aufgabe, fünf Minuten lang über eigene Stärken und Schwächen zu reden. Etwa die Hälfte der Teilnehmer litt unter einer sozialen Phobie. Zuvor informierten die Forscher einen zufällig ausgewählten Teil beider Gruppen über die positiven Seiten körperlicher Stressreaktionen und überreichten dazu drei Studien zur Lektüre. Außerdem ermutigten sie diese Probanden, die Reaktionen ihres Körpers während der Rede als vorteilhaft zu betrachten. Die andere Gruppe erhielt keine solchen Hinweise. Die Rolle der Zuhörer übernahmen zwei Mitarbeiter, die angewiesen wurden, während des Vortrags durch Mimik und Verhalten ständig ein negatives Feedback zu geben. Nach Ablauf der Redezeit sollten die Probanden von 996 aus in Siebenerschritten rückwärts zählen, wobei das Publikum auf Fehler aufmerksam machte. Vor, während und nach der Rede erfolgten Messungen von Herzaktivität, Blutdruck und Weite der Blutgefäße.

Erstaunlicherweise waren die Messwerte der körperlichen Erregung bei den Ängstlichen und den Kontrollpersonen derselben Gruppe ganz ähnlich, obwohl die Ängstlichen angaben, sehr viel stärker unter der Situation gelitten zu haben. Die informierten Testpersonen beider Gruppen hatten das Gefühl, den Stress besser gemeistert zu haben als die anderen. Das stand im Einklang mit den Messwerten: Ihre Blutgefäße hatten sich weniger verengt und ihr Blutfluss war stärker. Nach Ansicht der Autoren könnte demnach eine durch Information veränderte, positive Einstellung zu Stressreaktionen dazu beitragen, den Behandlungserfolg von Menschen mit Angststörungen zu verbessern. Als alleiniges Wundermittel sei ihre Therapiemethode natürlich nicht geeignet.

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