Schrauben ganzheitlich wie Gesichter erkennen

Des Menschen besondere Fähigkeit, Gesichter auseinanderzuhalten, kann auch für andere Objekte wie etwa Schrauben oder Puzzleteile trainiert werden
Nashville (USA)/Hongkong (China) - Gesichtererkennung ist eine besondere Fähigkeit des Menschen: Nichts speichert der Mensch im Gedächtnis auf diese spezielle Weise ab wie eben Gesichter. Jetzt wollte ein amerikanisch-chinesisches Forscherteam wissen, ob sich durch Training auch andere Dinge, die sich oft nur durch Kleinigkeiten unterscheiden, ebenso auseinanderhalten lassen wie Gesichter. Diese Frage soll auch eine alte Forschungsstreitfrage klären helfen: Haben wir Menschen die besondere Fähigkeit zur Gesichterkennung, weil die Evolution ein Gehirnsystem hervorgebracht hat, das sich dieser Aufgabe besonders widmet? Oder gewinnen wir diese Fähigkeit durch unser ständiges Training? Das Forscherteam tendiert nach den Experimenten, wie es in der Fachzeitschrift "Psychological Science" darlegt, zur letzteren Auffassung.

"Wir entwickeln verschiedene Arten der Spezialisierung beim Erkennen verschiedener Objekte nicht nur wegen ihrer einzigartigen Erscheinung, sondern auch wegen der Arten von Erfahrung, die wir mit diesen Objekten machen", erklärt Alan Wong von der Chinese University Hong Kong. Er und seine Kollegen Isabelle Gauthier und Thomas Palmeri von der Vanderbilt University ließen Versuchspersonen die Wiedererkenung von Einzelteilen einer Sammlung von Fantasiesteckfiguren, die sie "ziggerins" nannten, trainieren. Die Ziggerins sehen aus wie kleine Röhrchen oder Äste mit unterschiedlich gestalteten Gabelungen. Die eine Versuchsgruppe trainierte die "Ziggerin-Erkennung" durch Zusammenfassen einzelner Exemplare zu Klassen mit gemeinsamen Merkmalen. Die andere Versuchsgruppe trainierte die "Ziggerin-Erkennung" dadurch, dass sie den einzelnen Ziggerins Namen gab.

Tatsächlich ergab das Training in beiden Gruppen, dass die "Ziggerin-Erkenung" immer besser wurde. Allerdings kamen die Versuchspersonen, die die Ziggerins nach gemeinsamen Merkmalen klassifiziert hatten, immer nur zu einer besseren Klassifizierung. Eine ganzheitliche Erkennung, wie sie sich bei Gesichtern abspielt, erreichten nur die Versuchsteilnehmer der Gruppe, die den einzelnen Ziggerins Namen gegeben hatte. "Diese Forschungsergebnisse zeigen zum einen, dass Individualisierung der Schlüssel zu unserer Fähigkeit der Gesichter-Erkennung ist. Zum anderen kann diese Fähigkeit schnell auf andere Objekte übertragen werden", sagen die Forscher. "Das dauert keine 10 Jahre, ja noch nicht einmal 10 Stunden, so etwas Ähnliches wie Gesichter-Erkennung auch bei anderen Objekten hinzubekommen."

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Quelle: Isabelle Gauthier, Thomas Palmeri, Alan Wong; Psychological Science 2009, im Druck


 

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