Schon Säuglinge erkennen in einer Fremdsprache falsche und richtige Grammatik

Bereits im Alter von vier Monaten können Säuglinge in einer Fremdsprache erkennen, ob Sätze korrekt gebildet sind, wie Aktivierungsmuster im Gehirn belegen
Leipzig - Schon nach einer knappen Viertelstunde Italienisch für Anfänger können vier Monate alte deutsche Säuglinge erkennen, ob bestimmte italienische Sätze korrekt gebildet sind. Dies zeigen Experimente deutscher Kognitionswissenschaftler, die Babys mit richtigen und falschen italienischen Sätzen konfrontiert haben und dabei die Gehirnaktivität der Babys analysiert haben. Dabei ging es allerdings um reine Grammatik. Ob Sätze inhaltlichen Nonsens enthielten, konnten die Säuglinge nicht erfassen, legen die Autoren der Studie in der Fachzeitschrift "PLoS One" dar.

Schon seit Langem ist für Sprachwissenschaftler und Kognitionswissenschaftler klar, dass Kinder geniale Sprachmeister sind: Jedes Kind dieser Welt lernt - sofern es nicht daran gehindert wird und keine starke Beeinträchtigung hat - in wenigen Jahren alle relevanten grammatischen Strukturen seiner Muttersprache. Dass aber schon Säuglinge in einer für sie fremden Sprache grammatisch falsche von grammatisch richtigen Sätzen unterscheiden können, ist eine neue Erkenntnis.

Um die Lernfähigkeiten von sehr jungen Kindern zu testen, konfrontierte das Team um Angela Friederici vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften deutsche Säuglinge im Alter von vier Monaten mit Sätzen aus einer fremden Sprache, dem Italienischen. Diese enthielten zwei syntaktische Konstellationen: Zum einen die Hilfsverbform "può" (kann) und ein Verb mit der Infinitiv-Endung "-are", wie in dem Satz "Il fratello può cantare" (Der Bruder kann singen). Zum anderen ein so genanntes Gerundium, eine im Englischen und in den romanischen Sprachen häufige Konstruktion, die ausdrückt, dass jemand gerade im Begriff ist, etwas zu tun. Sie wird gebildet mit dem Hilfsverb "sta" (ist) und einem Verb mit der Endung "-ando". Ein Beispiel ist der Satz "La sorella sta cantando." (Auf Deutsch etwa: Die Schwester singt gerade. Entsprechend dem Englischen "is singing").

Drei Minuten lang wurden den Säuglingen korrekte Sätze mit diesen Konstruktionen vorgesprochen. Dann folgte eine Testphase, in denen den Babys in zufälliger Reihenfolge und richtige und falsche Sätze wie etwa etwa "Il fratello sta cantare" (Der Bruder ist singen) oder "La sorella può cantando" (Die Schwester kann singt) vorgesprochen wurden. Diesen Vorgang wiederholten die Forscher viermal, so dass die Kinder insgesamt 12 Minuten "Italienisch für Anfänger" hatten. Durch EEG-Messungen der Hirnströme war deutlich zu erkennen: Die Kinder speicherten automatisch, dass "può" und "-are" sowie "sta" und "-ando" zusammen gehören. Während die Verarbeitung falscher und richtiger Sätze anfangs noch sehr ähnliche EEG-Kurven erzeugte, führten die beiden Satztypen im vierten Durchgang - also nach einer Gesamt-Lernzeit von weniger als einer Viertelstunde - zu stark unterschiedlichen Aktivierungen.

"In diesem Alter werden natürlich keine inhaltlichen Fehler registriert," sagt Friederici. "Lange vor dem semantischen Verständnis erkennen und generalisieren Babys aber schon Regelmäßigkeiten an der Lautoberfläche." Das Gehirn filtert aus gehörten Sätzen offenbar automatisch die syntaktischen Beziehungen heraus und ist so innerhalb kürzester Zeit in der Lage, Abweichungen von den gelernten Mustern zu erkennen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Precursors to natural grammar learning: Preliminary evidence from 4-month-old infants" , Angela D. Friederici, Jutta L. Mueller, Regine Oberecker; PlosOne, 22. 03. 2011.


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg