Sanfter als Pillen: Trauma-Therapie Tetris

Der beliebte Computerspiel-Klassiker kann helfen, traumatische Ereignisse besser zu verarbeiten und Flashbacks zu verringern - doch nicht alle Computerspiele eignen sich dazu, manche verschlimmern die unerwünschte Bilderflut nach dem Erlebten sogar
Die Bausteine des Computerspiel-Klassikers Tetris gilt es möglichst geschickt aufeinander zu platzieren
Die Bausteine des Computerspiel-Klassikers Tetris gilt es möglichst geschickt aufeinander zu platzieren
© als gemeinfrei veröffentlichtes Werk - Urheber: Damian Yerrick
Oxford (Großbritannien) - Ein simples und sehr beliebtes Computerspiel kann dabei helfen, ein frisches Trauma leichter zu bewältigen: Kurz nach dem traumatischen Ereignis Tetris zu spielen, reduziert Flashbacks des Erlebten - blitzartig aufflackernde Bilder, die man vor dem geistigen Auge sieht. Allerdings hat nicht jedes Computerspiel diese vorbeugende Wirkung, haben britische Psychiater nun in weiteren Studien zur Erforschung des Effektes beobachtet. Ein Quiz-Spiel etwa verschlimmert das unerwünschte Wiedererleben sogar, berichten die Forscher im Fachblatt "PLoS ONE". Tetris allerdings könnte tatsächlich eine sanfte Alternative zu potenziellen pharmakologischen Mitteln sein. Denn sogar noch vier Stunden nach dem traumatischen Erlebnis gespielt, hilft der Spiele-Klassiker, die aufdringliche Bilderflut einzudämmen, ergaben ihre aktuellen Untersuchungen. Die Forscher vermuten, dass die optischen Eindrücke des Tetris-Spiels aus Formen und Bewegung mit denen aus dem Film konkurrieren und die Nachwirkung der traumatischen Bilder reduzieren.

"Unsere jüngsten Ergebnisse legen nahe, dass Tetris noch effektiv ist, solange es innerhalb eines kritischen Zeitfensters von sechs Stunden nach dem Sehen eines aufreibenden Films gespielt wird", erläutert Emily Holmes von der Oxford University. "Während Tetris zu spielen flashback-artige Erinnerungen reduzieren kann, ohne die Fähigkeit auszumerzen, dem Ereignis einen Sinn zu geben, haben wir gezeigt, dass nicht alle Computerspiele diesen nützlichen Effekt haben - manche könnten sogar einen nachteiligen Effekt darauf haben, wie Leute mit traumatischen Erinnerungen fertig werden." Holmes und ihre Kollegen hatten bei Freiwilligen den Effekt von Computerspielen auf die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse getestet. Dazu zeigten sie den Probanden einen Film mit verstörenden Szenen, darunter etwa die Auswirkungen, die Fahren unter Alkoholeinfluss haben kann. Solche Bilder simulieren erfahrungsgemäß ein traumatisches Ereignis und sind eine Methode, die Effekte eines Traumas im Labor zu untersuchen.

In einer ersten Versuchsreihe spielten 20 der Teilnehmer 30 Minuten nach dem Film für 10 Minuten Tetris, 20 widmeten sich einem Quiz-Spiel, während weitere 20 gar nichts taten. Diejenigen, die Tetris gespielt hatten, erlebten in der Woche nach dem Experiment merklich weniger Flashbacks des Films als diejenigen, die nichts getan hatten. Dagegen erfuhren die Quiz-Spieler mehr Flashbacks. In einem weiteren Versuch spielten 25 Probanden Tetris, während 25 weitere das Quiz-Spiel absolvierten - allerdings jeweils erst vier Stunden nach dem Filmerlebnis. Auch hier zeigte Tetris Wirkung: Die Probanden, die den Klassiker gespielt hatten, erlebten wiederum weniger Flashbacks als die anderen. In beiden Experimenten waren die Teilnehmer aber durchaus in der Lage, sich an Details des Films zu erinnern.

Tetris hat den Ergebnissen von Holmes und ihren Kollegen zufolge eindeutig eine schützende Wirkung, ohne das Ereignis vollkommen in Vergessenheit geraten zu lassen. Potenzielle Medikamente dagegen sollen das Erlebte eher völlig auslöschen, was Psychologen gar nicht für unbedingt wünschenswert halten, und können zudem noch nicht sicher und zuverlässig eingesetzt werden. Eine konkrete Therapie gegen posttraumatische Belastungsstörungen mit Tetris ist allerdings auch bislang nicht greifbar, denn der Ansatz befindet sich noch in den ersten Stadien der Forschung. Es benötige noch einige Stufen, bis mit klinischer Forschung begonnen werden kann, betonen die Wissenschaftler. "Auch wenn sich diese Arbeit noch im Experimentierstadium befindet und es bis zu einer potenziellen Behandlung noch ein weiter Weg ist", so Holmes, "fangen wir an zu verstehen, warum aufdringliche Erinnerungen beziehungsweise Flashbacks nach einem Trauma gebildet werden und wie wir Wissenschaft einsetzen können, um neue vorbeugende Behandlungen zu erforschen."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Key Steps in Developing a Cognitive Vaccine against Traumatic Flashbacks: Visuospatial Tetris versus Verbal Pub Quiz", Holmes EA et al.; PLoS ONE (Vol. 5(11): e13706. doi:10.1371/journal.pone.0013706)


 

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