Sagen extrem potente Antikörper Aids bald den Kampf an?
"Die Antikörper lagern sich an einen Teil des Virus an, der sich praktisch nicht verändert, und das erklärt, warum sie so eine außerordentliche Bandbreite an HIV-Stämmen neutralisieren", erläutert John R. Mascola vom Vaccine Research Center der National Institutes of Health in Bethesda. Bisher hatte es sich stets als äußerst schwierig erwiesen, Antikörper gegen eine Vielzahl von HIV-Stämmen zu finden, da die Viren beständig ihre Oberflächenproteine verändern und damit der Entdeckung durch die Immunzellen entgehen. Einige wenige Areale auf der Virusoberfläche sind allerdings über alle Varianten des Virus stabil, darunter eine Bindungsstelle namens CD4. Diese braucht das Virus, um an die Immunzellen anzudocken und sie zu infizieren.
Genau an diese Bindungsstelle lagern sich die beiden neu entdeckten Antikörper VRC01 und VRC02 an, hindern damit das Virus am Eindringen in die Wirtszellen und vereiteln die Infektion. "Wir haben unser Wissen über die Struktur eines Virus - in diesem Fall die äußere Oberfläche von HIV - eingesetzt, um molekulare Werkzeuge weiter zu verfeinern, welche die angreifbaren Punkte des Virus lokalisieren und uns zu Antikörpern führen, die an diese Punkte anbinden und das Virus daran hindern, Zellen zu infizieren", erklärt Mascolas Kollege Gary J. Nabel. Gefunden hatten die Wissenschaftler die hochpotenten Antikörper VRC01 und VRC02 im Blut eines HIV-Infizierten. Sie setzten dazu eine neue, spezielle Methode aus der Molekularbiologie ein. Dabei reagiert ein modifiziertes HIV-Protein nur mit Antikörpern, die spezifisch für die Stelle sind, mit der das Virus sich an die Zellen heftet, die es infiziert. Die Forscher stellten fest, dass VRC01 und VRC02 mehr HIV-Stämme zu neutralisieren vermag als andere bisher bekannte Antikörper gegen das Virus.
Des Weiteren konnten die Wissenschaftler die Struktur von VRC01 auf atomarer Ebene bestimmen, wenn das Protein sich an HIV anlagert. So konnten sie herausfinden, wie genau der Antikörper arbeitet und präzise bestimmen, wo er an das Virus bindet. Mithilfe dieses Wissens konnten sie bereits damit beginnen, Komponenten für mögliche Impfstoffe zu konstruieren, die dem Immunsystem beibringen könnten, VRC01 ähnliche Antikörper zu produzieren und damit vor einer Infektion mit einer Vielzahl von HIV-Stämmen zu schützen. "Die Entdeckung dieser außerordentlich breit neutralisierenden Antikörper gegen HIV und die strukturelle Analyse, die erklärt, wie sie arbeiten, sind spannende Fortschritte, die unsere Bemühungen beschleunigen werden, einen schützenden HIV-Impfstoff für den weltweiten Einsatz zu finden", kommentiert Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases von den National Institutes of Health die Entdeckung von Nabel und Kollegen. "Darüber hinaus stellt die Technik, die das Team nutzte, um diese neuen Antikörper zu finden, eine neue Strategie dar, die für das Impfstoff-Design vieler weiterer Infektionskrankheiten angewandt werden könnte."
"Structural basis for broad and potent neutralization of HIV-1 by antibody VRC01", Zhou T et al.; Science (Online-Vorabveröffentlichung, Science Express)