Protein macht Angst und Panik vergessen

Erkenntnis über die Hirnchemie des Traumas könnte neue Ansätze für die Behandlung von Panik- und Angststörungen eröffnen
Münster/Irvine (USA) - Wenn traumatische Gefühle und Ängste nach schlimmen Erlebnissen wieder verlernt werden, ist daran offenbar ein spezielles Hirnprotein beteiligt: Das Neuropeptid S (NPS) scheint eine entscheidende Rolle zu spielen, wenn im Gehirn die biochemische Antwort auf die unangenehmen Erinnerungen ausgelöscht wird. Es beeinflusst eine kleine Gruppe von Nervenzellen in der Amygdala, einem Hirnareal, in welchem Erinnerungen gespeichert werden. Die Entdeckung dieser Zusammenhänge, über die ein deutsch-amerikanisches Forscherteam im Fachblatt "Neuron" berichtet, könnte helfen, neue Ansätze für die Behandlung von Angststörungen zu finden.

"Diese Erkenntnisse können die Entwicklung neuer Medikamente zur Therapie von Krankheitsbildern unterstützen, bei denen Menschen von bestehenden Ängsten verfolgt werden, so wie bei posttraumatischen Stressstörungen oder anderen Panikstörungen", erläutert Rainer Reinscheid von der University of California in Irvine. Gemeinsam mit Hans-Christian Pape von der Universität Münster und weiteren Kollegen aus den USA und Deutschland hatte er mit Mäusen in einer Reihe von Versuchen die Effekte von NPS auf verängstigtes Verhalten nach einer für die Nager traumatisierenden Erfahrung untersucht - sowohl in Verhaltensstudien als auch auf der Ebene der Zellverschaltung innerhalb der Amygdala.

Wurde das Protein in die Amygdala injiziert, beobachteten die Forscher eine deutliche Reduktion des ängstlichen Verhaltens allgemein. Außerdem beschleunigte die Behandlung das Tilgen der durch die traumatischen Ereignisse bedingten Angst und Panik und diese verschwanden schneller. Verabreichten die Wissenschaftler dagegen einen Stoff, der die Rezeptoren für NPS blockierte, stellte sich ein gegenteiliger Effekt ein und die Mäuse litten deutlich länger unter den belastenden Nachwirkungen der schlechten Erfahrung. "Die Einsichten aus dem Tiermodell können als Grundlagen für die klinische Forschung am Menschen dienen", erklärt Kay Jüngling von der Universität Münster, der Erstautor der Studie. Bis dahin ist allerdings noch weitere Forschung am Modell notwendig. Zudem käme eine direkte Injektion eines Medikamentes ins Gehirn beim Menschen kaum in Frage. "Wenn man die Wirkungsweise des Peptids genauer kennt, könnte man eine Substanz mit einer ähnlichen Wirkung entwickeln, die dann auch auf andere Weise verabreicht werden kann", hofft Jüngling. "Wann genau es soweit sein wird, ist jedoch noch fraglich."

Nach einem traumatischen Erlebnis wecken mitunter im Grunde harmlose Umgebungsreize Assoziationen mit der schlechten Erfahrung. Die Betroffenen durchleben das Ereignis erneut, was ängstliche Reaktionen bis hin zu Panikattacken auslösen kann. Solche Negativ-Erfahrungen wieder zu verlernen, erfordert früheren Forschungsergebnissen zufolge ein Neulernen. Dabei wird beispielsweise die ursprüngliche Erfahrung nachgestellt, jedoch ohne die nachteiligen Konsequenzen. Allerdings war bislang unbekannt, welche Mechanismen an dieser Auslöschung der unangenehmen Assoziationen beteiligt sind.

Neuron
Quelle: "Neuropetide S-mediated control of fear expression and extinction: role of intercalated GABAergic neurons in the amygdale", Hans-Christian Pape et al.; Neuron (Ausgabe vom 31. Juli)


 

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