Neue Indizien: Zweiter Mond umkreiste einst die Erde
"Diese seltsame, langsame Kollision formte keinen Krater, sondern schob das Material auf eine Seite", sagt Erik Asphaug von der University of California in Santa Cruz. Zusammen mit seinem Kollegen Martin Jutzi von der Universität Bern berechnete Asphaug die Gewalt dieses Aufpralls mit seinen möglichen Folgen für den noch jungen Mond. Noch nicht komplett abgekühlt bedeckte eine etwa 20 Kilometer dicke Gesteinskruste den Erdtrabanten. Darunter nahmen die Forscher einen Ozean aus noch flüssigem Magma an. Stürzte nun ein 150 Kilometer großes Objekt – durch Gravitationskräfte angezogen – auf diese Oberfläche, konnten sich sowohl die heute existierenden Gebirge aufwerfen und die bis zu 150 Kilometer dicke Kruste auf der Mondrückseite bilden.
Junge Erde kollidierte mit Himmelskörper von der Größe des Mars
"Unser Modell basiert auf der Annahme eines gigantischen Einschlags. Dazu sollten noch massive Trümmerteile außer dem Mond selbst in einer Umlaufbahn um die Erde kreisen", sagt Asphaug. Unwahrscheinlich ist diese Vermutung nicht. Denn nach derzeitigem Wissen entstand der Mond vor etwa 4,5 Milliarden Jahren nach einer gigantischen Kollision der jungen und noch nicht festen Erde mit einem Himmelskörper von der Größe des Mars. Enorme Gesteinsmengen wurden dabei in eine Erdumlaufbahn geschleudert, die sich nach und nach zusammenballten und schließlich den Mond mit seinem knapp 3500 Kilometern Durchmesser bildeten.
Doch dieser Prozess verlief offenbar nicht gleichmäßig. Denn entsprechend dem Modell von Asphaug und Jutzi könnte sich ein zweiter, sogenannter Trojaner-Mond etwa 70 Millionen Jahre lang in einer stabilen Umlaufbahn um die Erde gehalten haben, bevor er schließlich doch in einem verblüffend langsam verlaufenden Prozess auf die schon etwas erstarrte Mondoberfläche stürzte. "Die Idee, dass sich mehrere Monde nach der gigantischen Kollision gebildet haben könnten, wurde bereits in früheren Simulationen der Dynamik der Trümmerteile um die Erde gezeigt", unterstützt Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology in einem begleitenden Kommentar diese Annahme.
So schlüssig das neue Modell von Asphaug und Jutzi die Gebirge und die ungewöhnlich dicke Kruste auf der erdabgewandten Mondseite erklären mag, bleiben noch Fragen offen. So vermuteten erst vergangenes Jahr Francis Nimmo und seine Kollegen von der gleichen Universität wie Asphaug, dass Gezeitenkräfte und nicht ein gigantischer Einschlag für die verdickte Mondkruste verantwortlich wären. "Bis jetzt gibt es nicht genug Daten, um zu sagen, welches Modell die beste Erklärung für die Gegensätze auf der Mondoberfläche liefert", sagt Nimmo. Erst mit einer erneuten Mission auf die Rückseite des Mondes könnten Gesteinsproben gesammelt werden, die dieses Rätsel um seine Geschichte lösen könnten.