Nacktmull-Spermien sind miserable Schwimmer

Ohne jeden Konkurrenzdruck sind die männlichen Keimzellen der skurrilen Nagetiere völlig degeneriert
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Nacktmullspermiums
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Nacktmullspermiums
© Liana Maree
Bellville (Südafrika) - Nacktmulle sind schon recht speziell: Die skurril anmutenden unbehaarten und blinden Nager leben in weit verzweigten unterirdischen Bauten. Ähnlich wie manche Insekten bilden sie große Kolonien mit einer fortpflanzungsfähigen Königin, mit der sich nur vereinzelte, auserwählte Männchen paaren. Doch nicht nur Aussehen und Lebensweise sind ungewöhnlich, sondern auch die Spermien, haben südafrikanische Biologen jetzt bei den Tieren beobachtet. Die männlichen Keimzellen sind völlig degeneriert. Sie sind unförmig und nur durchschnittlich sieben Prozent sind überhaupt beweglich, berichten die Forscher im Fachblatt "BMC Evolutionary Biology". Sie erreichen allerdings bis auf wenige Ausnahmen nur sehr niedrige Schwimmgeschwindigkeiten.

"Hat sich die Königin ihre(n) Gefährten auserkoren, hält sie die anderen Weibchen und Männchen rangniedriger, indem sie körperliche Gewalt einsetzt", erläutert Gerhard van der Horst von der University of the Western Cape in Bellville. Das daraus resultierende Fehlen von Rivalität zwischen sich fortpflanzenden Männchen scheine zu einem insgesamten Schwund der Spermien-Fitness beizutragen. "Überraschenderweise sind diese Nacktmullmännchen trotz der geringen Beweglichkeit und der jämmerlichen Eigenarten ihrer Spermien fruchtbar und zeugen eine Reihe gesunder Nachkommen pro Wurf", sagt van der Horst. Gemeinsam mit seinen Kollegen hatte er die Spermien-Struktur von Nacktmullen (Heterocephalus glaber) unter dem Licht- und dem Elektronenmikroskop untersucht. Die Forscher nahmen dazu Proben von Männchen unterschiedlichen sozialen Standes - von sich fortpflanzenden Gefährten der Königin, von untergeordneten Arbeiten sowie von Männchen, die sich zwar nicht mit der Königin paarten, aber dennoch versuchen würden, andere Weibchen der Kolonie zu begatten.

Die Forscher stellten fest: Die Spermien der Männchen aus den unterschiedlichen Rängen unterscheiden sich nicht wahrnehmbar voneinander und sind allesamt vollkommen untypisch und in jeglicher Hinsicht degeneriert. Der Kopf ist uneinheitlich - mal rund, mal oval, mal langgezogen oder asymmetrisch und unförmig. Das Chromatin im Zellkern ist unorganisiert und weiter und unregelmäßiger verteilt als gewöhnlich. Das Mittelstück ist außergewöhnlich schmal und unstrukturiert, mit nur wenigen zufällig angeordneten Mitochondrien. Besonders degeneriert ist aber der Schwanz, dem zentrale Elemente für die Fortbewegung fehlen. Und so waren auch nur wenige Spermien beweglich. Lediglich 1 bis 15 Prozent konnten überhaupt schwimmen und nur 1 Prozent dieser aktiven Spermien waren schnelle Schwimmer. Für jedes andere Säugetier würden solche Spermien als vollkommen unnormal gelten. Doch bei Nacktmullen genügen in der Abwesenheit von Konkurrenzdruck offensichtlich auch diese verkümmerten Keimzellen.

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Quelle: "Sperm structure and motility in the eusocial naked mole-rat, Heterocephalus glaber: a case of degenerative orthogenesis in the absence of sperm competition?", Gerhard van der Horst et al.; BMC Evolutionary Biology (im Druck)


 

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