Mit Handschuhen moralische Sichtweisen ändern

Rechtshänder neigen dazu, alles, was sich zu ihrer Rechten befindet, besser zu bewerten als das, was links von ihnen ist. Wenn sie in der Nutzung ihrer rechten Hand - wie auch immer - eingeschränkt sind, schwenken sie in ihren Vorlieben schneller um als gedacht
Kein Vergnügen: Domino spielen, wenn die
Kein Vergnügen: Domino spielen, wenn die "gute" Hand in einem dicken Ski-Handschuh steckt.
© Max-Planck-Institut für Psycholinguistik
Nijmegen (Niederlande) - Die meisten Menschen sind Rechtshänder. Das ist mehr als ein nebensächliches Detail, denn die Händigkeit eines Menschen beeinflusst auch seine moralischen Wertungen. Darum sind in vielen Sprachen "recht" und "richtig" etymologisch verwandt. Doch wenn sich - etwa aufgrund eines Unfalls - die Händigkeit eines Menschen ändert, kann sich dadurch überraschend schnell die Sichtweise auf das, was "recht und billig" ist, ändern, wie jetzt ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik herausfand. In Experimenten mit Handschuhen simulierten die Forscher die sich ändernden Sichtweisen, wie sie in der Fachzeitschrift "Psychological Science" darlegen.

"Die Menschen denken oft, dass ihre Urteile auf Vernunft gegründet und ihre Vorstellungen stabil seien", erklärt Daniel Casasanto vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen. "Doch das Tragen eines dicken Handschuhs für einige Minuten kann die Sichtweise eines Menschen darüber, was gut und was schlecht ist, völlig umkehren. Wahrscheinlich ist der Geist geschmeidiger als bisher angenommen."

Das Team um Casanto und Evangelia Chrysikou beobachtete zunächst, wie Schlaganfall-Patienten, die halbseitig rechts oder links gelähmt waren, moralische Bewertungen vornahmen. Dabei ging es etwa darum, Menschen, die rechts oder links von ihnen saßen, als "gut" oder "nicht so gut" einzuordnen. Rechtshändige Patienten, die ihre linke Hand nicht mehr gebrauchen konnten, verhielten sich wie gesunde Rechtshänder: Wer oder was sich rechts von ihnen befand, wurde ohne weitere Überprüfung als besser erachtet als das links von ihnen im Raum Befindliche. Rechtshändige Schlaganfall-Patienten, die ihre rechte Hand nicht mehr nutzen konnten, verhielten sich wie gesunde Linkshänder und bewerteten das als positiv, was sich links von ihnen befand. Diesen Befund überprüften die Forscher mit gesunden rechtshändigen Versuchsteilnehmern, die für motorische Aufgaben einen Ski-Handschuh über ihre "gute" Hand ziehen mussten.

Schon zwölf Minuten Handicap durch einen Handschuh auf der "guten" Hand zeigten bei der Abfrage moralischer Bewertungen eine Änderung der Sichtweise bei den eigentlichen Rechtshändern: Jetzt, wo die rechte Hand nicht richtig zu gebrauchen war, wurde plötzlich das links Liegende das Bessere. Die Forscher ziehen daraus vorsichtig erste Schlüsse: Die Schokoladenseite unseres Körpers beeinflusst unsere Wahrnehmung dessen, was wir für "gut" oder "schlecht" halten, zumindest in einem kleineren Rahmen. Aber wenn sich die Schokoladenseite, insbesondere die Händigkeit ändert, kann sich auch unsere Wahrnehmung von "gut" und "schlecht" überraschend schnell ändern.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "When Left Is 'Right': Motor Fluency Shapes Abstract Concepts", Daniel Casasanto, Evangelia G. Chrysikou, Psychological Science, 9. März 2011, 2011 DOI: 10.1177/0956797611401755


 

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