Krebstherapie durch Biochirurgie: Bakterien zerstören inoperable Tumoren

Forscher haben durch Injektion von Clostridien direkt in das Krebsgewebe Ratten, Hunde und einen Menschen erfolgreich behandelt
In einem Hundetumor haben sich aus Sporen hervorgegangene stäbchenförmige Clostridium novyi-Bakterien vermehrt.
In einem Hundetumor haben sich aus Sporen hervorgegangene stäbchenförmige Clostridium novyi-Bakterien vermehrt.
© David L. Huso and Baktiar Karim of the Johns Hopkins Department of Pathology
Baltimore/Kansas City (USA) - Die Idee ist mehr als hundert Jahre alt. Damals beobachtete der Krebsforscher William Coley, dass Tumoren schrumpften, wenn der Krebspatient zusätzlich an einer bakteriellen Infektion erkrankte. Später stellte sich heraus, dass verschiedene Arten von Bakterien fähig sind, in Tumoren einzudringen und Krebszellen zu eliminieren. Jetzt haben amerikanische Mediziner diese „Biochirurgie“ optimiert und bei Ratten, Hunden und erstmals auch bei einem Menschen erfolgreich eingesetzt. Sie injizierten Bakteriensporen von Clostridien direkt in das Krebsgewebe. Die ausgekeimten Mikroben ernährten sich von den Krebszellen, die sie durch Enzyme zerstörten. Da Clostridien nur in sauerstoffarmer Umgebung – wie im Innern von Tumoren – leben können, konnten sie gesundes Gewebe nicht schädigen, berichten die Forscher im Fachjournal „Science Translational Medicine”. Zurzeit werden Dosierung, Nebenwirkungen und Effektivität der ungewöhnlichen Therapieform an weiteren Patienten mit inoperablen Tumoren getestet.

„Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium und müssen Sicherheit und Wirksamkeit genauer prüfen. Außerdem wollen wir erforschen, wie erfolgreich diese Behandlung in Kombination mit anderen Krebstherapien ist“, sagt Saurabh Saha von BioMed Valley Discoveries in Kansas City, der zusammen mit Forschern der Johns Hopkins University in Baltimore die Arbeiten leitete. Dabei setzten sie einen genetisch veränderten Stamm des Bodenbakteriums Clostridium novyi ein, dem ein Toxin-Gen fehlte. Diese Mikroben können Ruhestadien in Form von Sporen bilden, die lange Zeit überdauern können. Bei günstigen Lebensbedingungen keimen die Sporen aus und werden wieder zu aktiven beweglichen Zellen. Da Clostridien keinen Sauerstoff vertragen, können sie sich im schlecht durchbluteten Innern von Tumoren vermehren, nicht aber in gesundem Nachbargewebe. Die schlechte Durchblutung im Tumor ist auch der Grund dafür, dass Krebsmittel nicht tief genug eindringen und sämtliche Tumorzellen zerstören können. Auch eine Bestrahlung verliert an Wirksamkeit, wenn nicht genügend Sauerstoff vorhanden ist.

In früheren Experimenten dienten Mäuse und Kaninchen mit transplantierten Tumoren als Versuchstiere. Die Behandlung erfolgte, indem Clostridiensporen intravenös injiziert wurden. Danach schrumpften die Tumoren teilweise oder ganz. Aber bei Hunden, die auf natürlichem Weg an Krebs erkrankt waren, erwies sich diese Therapie als kaum wirksam. Als Grund dafür vermuteten die Forscher, dass durch die starke Verdünnung im Blut nicht genügend Sporen in die Tumoren gelangen. Daher injizierten sie nun die Sporen direkt in den jeweiligen Tumor.

In einer ersten Versuchsreihe mit Ratten, denen Hirntumoren verpflanzt worden waren, gelang es, die Krebszellen effektiv abzutöten, während eng benachbarte gesunde Zellen verschont blieben. Die mittlere Lebensdauer der Tiere verlängerte sich von 18 auf 33 Tage. Dann behandelten die Wissenschaftler 16 Hunde, deren spontan entstandene Tumoren denen von Krebspatienten wesentlich ähnlicher sind. Jedem Tier wurden ein- bis viermal jeweils 100 Millionen Sporen injiziert. Nach drei Wochen hatten sich bei sechs Hunden die Tumoren verkleinert, bei drei von ihnen verschwanden sie ganz. Als Nebenwirkung kam es zu typischen Symptomen einer Infektion wie Fieber, Entzündung und Abszessbildung. Ein positiver Zusatzeffekt bestand darin, dass die zerstörten Krebszellen das Immunsystem aktivierten, was die körpereigene Krebsabwehr stärkte.

Schließlich erprobten die Forscher ihre Bakterientherapie an einer 53-jährigen Krebspatientin, bei der sich trotz mehrfacher Chemo- und Strahlentherapie bereits mehrere Metastasen entwickelt hatten. In einen Tumor im Schulterbereich wurden 10.000 Sporen injiziert. Einige Wochen später war der Großteil dieses Krebsgewebes zerstört und die Beweglichkeit des Arms hatte sich verbessert. Andere Tumoren im Körper der Frau blieben unverändert. Inzwischen haben Studien mit weiteren Patienten begonnen. Spätere Untersuchungen sollen dann zeigen, mit welcher Therapieform die neue Art der Tumorbehandlung kombiniert werden sollte, um die stärkste Wirkung zu erzielen.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg