Kleinkinder nutzen Statistik

Um die Wünsche und Gefühle anderer Menschen deuten zu können, nutzen schon Drei- und Vierjährige statistische Methoden
Ithaca (USA) - Schon Kleinkinder versuchen zu deuten, was andere Menschen wollen, gern haben oder sich wünschen. Dazu nutzen sie - ganz von sich aus - Methoden, die eigentlich aus der Statistik stammen, fanden jetzt amerikanische Forscher heraus. Das hauptsächliche Verfahren, das Drei- und Vierjährige anwenden, heißt unter Statistikern "nicht-zufällige Stichprobenziehung", wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Psychological Science" darlegen.

In einem Experiment mit Drei- und Vierjährigen wurde eine Handpuppe gezeigt, die aus Spielzeugkisten jeweils einige gleiche Spielzeuge - etwa fünf blaue Blumen - herauszog, um mit ihnen zu spielen. Die Kinder konnten auch sehen, was sonst noch in der Spielzeugkiste war: Ein Drittel der Kinder sah, dass in der Kiste das gleiche Spielzeug lag, das die Puppe zum Spielen benutzte, also zum Beispiel lauter blaue Blumen. Das zweite Drittel der Kinder sah, dass in der Kiste zwei Arten Spielzeug waren, die gleichermaßen stark vertreten waren, zum Beispiel blaue Blumen und rote Ringe. Das letzte Drittel der Kinder sah eine Spielzeugkiste, in der die blaue Blumen das Spielzeug mit den wenigsten Exemplaren waren. Mehr als 80 Prozent in der Kiste war eine andere Spielzeugsorte. Das Team um Tamar Kushnir von der Cornell University forderte nun die Kinder auf, jeweils der Puppe ein Exemplar des Spielzeugs zu schenken, das sie vermutlich am liebsten hatte.

Es zeigte sich, dass die Kinder im Prinzip verstanden, dass die Puppe die blauen Blumen offenbar nur dann nachweisbar am liebsten hatte, wenn sie sie im Unterschied zu einem anderen Spielzeug erwählen konnte. Wenn die ganze Kiste zu 100 Prozent mit blauen Blumen gefüllt war, konnte sie mit nichts anderem spielen als eben mit blauen Blumen, ganz gleich, ob das ihr Lieblingsspielzeug war. Wenn in der Kiste also nur blaue Blumen waren, schenkten die Kinder der Puppe irgendetwas anderes - nur keine blaue Blumen. Die Kinder, die gesehen hatten, dass die Spielzeugkiste halb mit blauen Blumen, halb mit etwas anderem gefüllt war, schenkten schon etwas öfter blaue Blumen. Und die Kinder, die gesehen hatten, dass in der Kiste nur ganz wenige blaue Blumen waren und sich größtenteils etwas anderes befand, schenkten fast alle der Puppe weitere blaue Blumen.

Das Verfahren, das die Kinder unbewusst anwandten, heißt unter Fachleuten "nicht-zufällige Stichprobenziehung" (non-random sampling). Dass schon Kleinkinder etwas anwenden, was im Bildungskanon eigentlich erst in den Statistik-Kursen im Psychologie-Grundstudium vorkommt, begeistert die Forscher. "Kleinkinder und Babys sind faszinierend", sagt Tamar Kushnir von der Cornell University. "Sie sind wie kleine Wissenschaftler. Meistens lernen sie, indem sie die Welt beobachten oder durch eigene Experimente erfahrbar machen. Lassen Sie sie machen. Später wird noch Zeit sein für die formale Bildung, aber wenn sie noch so ganz jung sind, ist dieses informelle Lernen für sie entscheidend."

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Quelle: "Young Children Use Statistical Sampling to Infer the Preferences of Other People", Tamar Kushnir, Fei Xu, Henry M. Wellman; Psychological Science, 2010, im Druck


 

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