Kaiserschnitt: Kotübertragung normalisiert Darmbesiedlung bei Neugeborenen

Eine einmalig dem Säugling verabreichte verdünnte Stuhlprobe der Mutter sorgt für verstärktes Wachstum von ansonsten unzureichend vorhandenen Darmkeimen
Herausziehen des Kindes beim Kaiserschnitt
Herausziehen des Kindes beim Kaiserschnitt
© HBR / Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Helsinki (Finnland) - Bei der natürlichen, vaginalen Geburt nimmt das Neugeborene Darmkeime der Mutter auf. Diese Mikroben besiedeln den Darm des Kindes und schaffen die Grundlage für eine Darmflora, die auf vielfältige Weise zur Gesundheit des Menschen beiträgt. Nach einer Geburt durch Kaiserschnitt kann sich im Darm des Säuglings zunächst keine normale Darmflora entwickeln, so dass unter anderem das Risiko für Allergien steigt. Finnischen Medizinern ist es jetzt gelungen, bei Kaiserschnittbabys die Vermehrung normaler Darmkeime zu fördern. Dazu fütterten sie die Säuglinge kurz nach der Geburt einmal mit einer in Muttermilch verdünnten Kotprobe der Mutter. Schon nach einer Woche unterschied sich die Darmflora der so behandelten Babys nicht mehr von der Darmflora vaginal geborener Kinder, berichten die Forscher im Fachblatt „Cell“. Sie betonen, dass nur Ärzte eine solche Behandlung durchführen dürften, um die Gefahr einer Infektion für das Kind auszuschließen.

„Es ist sehr wichtig, den Leuten klarzumachen, dass sie das nicht auf eigene Faust versuchen sollten“, sagt Willem de Vos von der University of Helsinki, einer der beiden leitenden Forscher der Arbeitsgruppe. Denn die Kotproben müssten vor der Verwendung unbedingt auf Krankheitserreger getestet werden. Von den 17 Schwangeren, die an der Studie teilnehmen wollten, wurden aufgrund der Voruntersuchungen nur sieben ausgewählt. Bei den anderen hatten die Mediziner Krankheitserreger – darunter auch B-Streptokokken in Genitalabstrichen – nachgewiesen, die dem Neugeborenen schaden könnten.

Drei Wochen vor dem geplanten Kaiserschnitt nahmen die Forscher von den Frauen Stuhlproben, die mikrobiologisch analysiert und dann tiefgefroren bis zum Geburtstermin gelagert wurden. Nach der Geburt nahmen die Babys als erste Nahrung die aufgetauten und mit Muttermilch verdünnten Stuhlproben ihrer jeweiligen Mütter zu sich. Mit dieser einmalig durchgeführten „Transplantation fäkaler Mikroben“ nahmen die Säuglinge im Schnitt sieben Millionen lebende Bakterien auf. Alle Mütter säugten ihre Kinder mindestens zwei Monate lang. Im Zeitraum von zwei Tagen bis drei Monaten nach der Geburt analysierten die Mediziner den Bakteriengehalt von Stuhlproben der Babys. Als Vergleich dienten 82 Stuhlproben von unbehandelten Kaiserschnittbabys und vaginal geborenen Babys.

Die Säuglinge zeigten im dreimonatigen Untersuchungszeitraum keine behandlungsbedürftigen Krankheitssymptome. In den ersten Tagen nach der Keimübertragung veränderte sich das Artenspektrum der Darmbakterien im Vergleich zur mütterlichen Darmflora stark. Bei den durch Kaiserschnitt geborenen und nicht behandelten Babys entwickelten sich deutlich weniger Bacteroides- und Bifidobakterien als bei Kindern, die durch vaginale Geburt auf die Welt gekommen waren. Außerdem fanden sich höhere Keimzahlen an Enterokokken, Enterobacterarten und Klebsiellen, die als potenzielle Krankheitserreger gelten. Die Transplantation von mütterlichen Darmbakterien sorgte dafür, dass sich schon ab dem siebten Lebenstag die Darmflora der Kaiserschnittbabys so normalisiert hatte, dass sie der von vaginal Geborenen entsprach.

In anderen Studien wurde Säuglingen nach Entbindung durch Kaiserschnitt Vaginalsekret ihrer Mütter verabreicht, was aber die bakterielle Besiedlung des Darms nicht normalisierte. In weiteren Studien wollen die Forscher verfolgen, inwieweit sich das Immunsystem von Kaiserschnittbabys unterschiedlich entwickelt, je nachdem ob eine Behandlung mit Darmkeimen erfolgte oder nicht. Auch die optimale Dosis der übertragenen Bakterien ist noch nicht ermittelt.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg