Inka-Mumien: Todesursache Lungenentzündung?
„Das Aufspüren von Krankheitserregern in sehr altem Gewebe ist nicht neu, doch bisher war es unmöglich zu sagen, ob der Erreger latent oder aktiv war“, erklärt Angelique Corthals vom John Jay College of Criminal Justice, Teil der New Yorker City University. „Damit öffnet unsere Methode eine neue Tür, um einige der größten Rätsel der Geschichte zu lösen - etwa die Gründe, weshalb die Spanische Grippe von 1918 so verheerend war.“ Corthals’ Team untersuchte Proben von zwei Inka-Mumien aus den peruanischen Anden. Diese waren vor rund 500 Jahren auf rund 6.700 Metern Höhe beerdigt und erst 1999 als „Kinder von Llullallaico“ wieder entdeckt worden. Mithilfe von Tupfern nahmen die Forscher ein wenig Gewebe aus dem Mund der Mumien ab. Obwohl die Eiweiße in den Mumienproben teilweise zerfallen waren, gewannen die Forscher ausreichend Informationen über deren Menge und Art. Dies konnten sie dann mit ähnlichen Profilen in einer großen Datenbank abgleichen, die Informationen über unterschiedlichste Krankheitsbilder speichert. Für die „Maid“ – die Mumie eines 15-jährigen Mädchens – zeigte sich: Ihr Protein-Profil entsprach dem von Patienten, die an einer chronischen Atemwegsinfektion verstorben sind. Zum Abgleich zeigte eine DNA-Analyse, dass im Gewebe Erreger vorlagen, die Atemwegserkrankungen und Tuberkulose hervorrufen können. Und Röntgenbilder vom Brustkorb der Mumie zeigten Zeichen einer Lungeninfektion zum Todeszeitpunkt. Bei der zweiten Mumie, die mit der „Maid“ begraben worden war, lieferten alle drei Methoden keine Zeichen einer Atemwegserkrankung.
Die neue Analysetechnik namens „Shotgun Proteomics“, Schrotschuss-Proteomik, betrachtet auf spezielle Weise nicht die Gene – das Erbgut – eines Menschen, sondern die Proteine – die Eiweiße – in seinen Körperzellen. So wie das Genom die Gesamtheit der DNA umfasst, ist das Proteom die Gesamtheit aller Eiweiße zu einem bestimmten Moment. Denn im Unterschied zu den Genen, die ein Leben lang so gut wie unverändert bleiben, ist die Mischung der Proteine in einer Zelle oder einem Lebewesen ständig in Veränderung – abhängig etwa vom Stoffwechsel oder dem Immunsystem. So kann eine Momentaufnahme, etwa zum Todeszeitpunkt, Rückschlüsse auf Körpervorgänge liefern.
Ihre Methode dürfte für Forensiker wie auch Historiker interessant sein, weil sie selbst bei verschmutzten Proben gute Ergebnisse erzielt, schreiben die Forscher. Bei frischen Proben könne sie helfen, im Vorfeld das Spektrum der Erreger einzugrenzen und somit Kosten zu sparen. Bei historischen Proben könne man die Technik auch in großem Maßstab anwenden, um Infektionen zu entdecken – und künftig Fragen nach der historischen Verbreitung und Entwicklung einzelner Erreger zu beantworten.