Immunsystem verhindert Heilung von Rückenmarksverletzungen

Die Nervenverletzung lockt Immunzellen an, die zellschädigende Antikörper produzieren
Molekülmodell eines Antikörpers
Molekülmodell eines Antikörpers
© David S. Goodsell
Columbus (USA) - Wie bei anderen Wunden auch, kommt es nach einer Rückenmarksverletzung zu einer Ansammlung von Immunzellen im verletzten Gewebe. Aber anstatt einen Heilungsprozess zu fördern, verschlimmert das die Nervenschäden noch zusätzlich, haben amerikanische Forscher jetzt festgestellt. Verantwortlich dafür sind von den Immunzellen gebildete Antikörper. Diese lösen Immunreaktionen aus, die gegen Strukturen der Nerven gerichtet waren. Bei genetisch veränderten Mäusen, die keine Antikörper bilden konnten, heilten Rückenmarksverletzungen deutlich besser. Möglicherweise würde eine vorübergehende Blockade der Antikörperproduktion den Heilungsprozess auch beim Menschen fördern, schreiben die Wissenschaftler im "Journal of Clinical Investigation".

"Unsere Experimente beweisen, dass Antikörper von sich aus das Potential besitzen, Rückenmarksverletzungen zu verschlimmern", sagt Daniel Ankeny von der Ohio State University in Columbus. "Das könnte auch erklären, warum die Regenerationsfähigkeit des zentralen Nervensystems so gering ist", sagt Phillip Popovich, der Leiter des Forschungsteams. Bei ihren Versuchen mit Mäusen hatten die Forscher entdeckt, dass sich B-Zellen am Ort der Rückenmarksverletzung ansammeln und sich in Antikörper produzierende Plasmazellen umwandeln. Die Antikörper lagerten sich an Bestandteile der Nerven an und waren auch im Blut nachweisbar.

Bei genetisch veränderten Mäusen, die keine B-Zellen und damit auch keine Antikörper bilden konnten, war neun Wochen nach einer Verletzung des Rückenmarks das Ausmaß der Nervenschäden ein Drittel geringer und die Beweglichkeit weniger eingeschränkt als bei normalen verletzten Mäusen. Um die Rolle der Antikörper genauer zu untersuchen, reinigten die Forscher die Immunproteine aus dem Blut verletzter normaler Mäuse und injizierten sie in das Rückenmark gesunder Tiere: Innerhalb von zwei Tagen traten Lähmungserscheinungen auf, die eine Woche anhielten. Offenbar können die nach einer Rückenmarksverletzung gebildeten Antikörper eine Immunreaktion auslösen, die auch gesundes Gewebe angreift. Da die Antikörper mit dem Blut auch in andere Körperteile gelangen, so Popovich, könnten sie zusätzlich für Schäden in Blase und Nieren verantwortlich sein, unter denen Rückenmarksverletzte oft leiden.

Wenn die beschriebenen Immunreaktionen auch beim Menschen auftreten, sollten neue Strategien entwickelt werden, um eine Regeneration verletzter Nerven zu fördern, schreiben Gregory Dekaban und Sakina Thawer von der University of Western Ontario in einem begleitenden Kommentar. Eine Möglichkeit wäre, durch Plasmapherese das Blut der Verletzten von Antikörpern zu reinigen. Eine andere bestünde in einer Therapie, die gegen die B-Zellen gerichtet ist. Dazu wären aber zunächst weitere Tierversuche nötig.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "B cells produce pathogenic antibodies and impair recovery after spinal cord injury in mice", Daniel P. Ankeny et al., Journal of Clinical Investigation, Online-Publikation, doi: 10.1172/JCI39780
Kommentar: "Pathogenic antibodies are active participants in spinal cord injury", Gregory A. Dekaban, Sakina Thawer, Journal of Clinical Investigation, Online-Publikation, doi: 10.1172/JCI40839


 

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