Im Westen was Neues: Amerikanische Ureinwohner haben bunte Ahnengalerie

Vorfahren amerikanischer Indigener stammen nicht nur aus Ostasien, sondern auch aus Europa und Eurasien
Grab des Malta-Kindes, nachgezeichnet von dem Entdecker Michail Gerasimov (1935), mit Fotos der Grabbeigaben
Grab des Malta-Kindes, nachgezeichnet von dem Entdecker Michail Gerasimov (1935), mit Fotos der Grabbeigaben
© Kelly E. Graf
Kopenhagen (Dänemark)/Uppsala (Schweden) - Etwa 12.000 Jahre ist es vermutlich her, seit die ersten Menschen über die durchgängige Landbrücke Beringia, die damals Asien und Amerika miteinander verband, nach Nordamerika kamen. Dass die heutigen amerikanischen Ureinwohner somit genetisch von den Bewohnern Ostasiens abstammen, lag für die Wissenschaft lange auf der Hand. Nun aber hat ein internationales Forscherteam mit Hilfe genetischer Analysen untersucht, welche genetischen Schnittmengen es zusätzlich zwischen Populationen aus der Alten Welt und den nordamerikanischen Indianern gibt und wie groß diese sind. Was die Wissenschaftler entdeckten, weist auf eine zweifache Abstammung der frühesten Siedler Nordamerikas hin. Denn deren Nachfahren besitzen auch auffällige genetische Übereinstimmungen mit jenen eiszeitlichen Jägern und Sammlern, die im heutigen Sibirien und dem westlichen Eurasien lebten. Übereinstimmungen im Erbgut von Ur-Amerikanern und Europäern würden demnach nicht aus der Zeit der Eroberung der Neuen durch die Alte Welt stammen, sondern wären wesentlich älter, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“.

„Die Ahnen der amerikanischen Indigenen stammen zu 14 bis 38 Prozent von Völkern ab, die bis zum Ende der letzten großen Eiszeit vor 10.000 Jahren westlich von Ostasien lebten“, sagt Eske Willerslev von der Universität von Kopenhagen. Um das herauszufinden analysierten der Genetiker und seine Kollegen zuerst die Gen-Sequenzen eines frühen modernen Menschen, dessen etwa 24.000 Jahre altes Skelett zusammen mit Grabbeigaben im sibirischen Malta gefunden worden war. Malta ist ein prähistorischer Fundort im Tal der Angara 80 km nordwestlich von Irkutsk.

Wie die Forscher entdeckten, zeigen sich im mitochondrialen Genom und beim Y-Chromosom des Malta-Menschen starke Übereinstimmungen mit dem Erbgut, das auch bei vielen mittel- und altsteinzeitlichen Jägern und Sammlern in Europa gefunden wurde. Zudem gibt es auch Ähnlichkeiten zu allen heutigen West-Eurasiern und nordamerikanischen Ureinwohnern. Sowohl das Y-Chromosom als auch das mitochondriale Genom ermöglichen es, genetisch verwandte Gruppen innerhalb der Bevölkerungen zu definieren und sie unterschiedlichen Ursprungsregionen zuzuordnen.

Um die genetische Nähe zwischen den amerikanischen Ureinwohnern und dem sibirischen Malta-Menschen genauer zu bestimmen, verglichen die Wissenschaftler das Erbgut des Malta-Fundes mit dem Genom von knapp 150 weiteren Bevölkerungsgruppen weltweit. Zwei Regionen wiesen dabei die meisten Übereinstimmungen mit dem Malta-Menschen auf: der amerikanische Kontinent sowie Nordost-Europa und Nordwest-Sibirien. Weniger Übereinstimmungen gab es zwischen dem Malta-Erbgut und der heutigen süd- und zentralsibirischen Bevölkerung. Willerslev deutet das als Indiz dafür, dass es nach der vergangenen Eiszeit eine massive Einwanderung von Gruppen aus anderen Regionen in diese Areale gegeben haben muss.

„Die wahrscheinlichste Erklärung für unsere Untersuchungsergebnisse ist die, dass die amerikanischen Indigenen eine gemischte Ahnenreihe haben, die sich aus Vorfahren der heutigen Ost-Asiaten und West-Eurasier zusammensetzt“, sagt Willerslev. Die Fortsetzung der genetischen Linie vom Malta-Menschen bis zu den nordamerikanischen Ureinwohnern könnte ihm zufolge auch erklären, warum mehrere archäologische Schädelfunde in Nordamerika Charakteristika zeigen, die nicht typisch für Ost-Asiaten sind. Damit hätte sich die Ahnenreihe der amerikanischen Indigenen nun schlagartig um ein Vielfaches erweitert.

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