HIV-Infektion: Immunabwehr beschleunigt Krankheitsverlauf

Die meisten HIV-befallenen Immunzellen blockieren zwar die Virusvermehrung, sterben aber dennoch ab, weil sie als Abwehrmaßnahme das genetische Selbstmordprogramm auslösen
Menschliche T-Zelle
Menschliche T-Zelle
© Dr. Triche, USA National Cancer Institute
San Francisco (USA) - Das AIDS-Virus HIV-1 infiziert und zerstört bestimmte Immunzellen, so genannte CD4-positive T-Zellen. Bisher war aber ungeklärt, warum dabei auch solche CD4-positiven T-Zellen absterben, in denen es gar nicht zu einer Virusvermehrung kommt. Jetzt berichten amerikanische Forscher, dass die Infektion der meisten dieser Zellen bereits nach den ersten Schritten abbricht. Die unvollständige Infektion erzeugt zwar keine neuen HI-Viren, löst aber Abwehrreaktionen der befallenen Zellen aus. Diese führen dazu, dass entzündungsfördernde Botenstoffe freigesetzt werden und das genetische Selbstmordprogramm der Zelle abläuft. Die vermeintliche Abwehrreaktion beschleunigt damit den Verlauf der Immunschwächekrankheit, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Cell".

"Unsere Forschungsergebnisse haben einen völlig unerwarteten Mechanismus aufgedeckt, der das Absterben von CD4-T-Zellen während einer HIV-Infektion erklärt", sagt Warner Greene vom Gladstone Institute of Virology and Immunology in San Francisco. Seine Arbeitsgruppe nutzte für ihre Infektionsversuche menschliche Lymphzellen aus frisch gewonnenem Mandel- und Milzgewebe sowie HI-Viren, die noch nicht längere Zeit im Labor vermehrt wurden. Damit imitierten sie die Bedingungen eines natürlichen Infektionsverlaufs besser als mit den üblicherweise eingesetzten Zelllinien und Viren. Durch Einsatz unterschiedlicher Hemmstoffe blockierten die Forscher den Infektionsprozess in verschiedenen Stadien. Nur solche Hemmstoffe verhinderten das Absterben der T-Zellen, die das Eindringen der Virus-RNA oder deren Umwandlung in DNA, also die allerersten Schritte der Infektion, blockierten.

Bei mehr als 95 Prozent der infizierten CD4-T-Zellen fand keine Vermehrung der Viren statt. Zwar drang die Virus-RNA in diese Immunzellen ein. Es wurde daraus aber keine vollständige DNA-Kopie hergestellt, wie es für die Virusvermehrung nötig wäre. Die Anhäufung unvollständiger Virus-DNA-Moleküle in den T-Zellen aktivierte Abwehrreaktionen. Zum einen wurde der programmierte Zelltod, die Apoptose, in Gang gesetzt. Zum anderen produzierten die Zellen Botenstoffe, die Entzündungsreaktionen auslösen. Dadurch werden Immunzellen angelockt, die dann als Wirtszellen für weitere Infektionen zur Verfügung stehen - ein Teufelskreis, sagt Greene. Der neu entdeckte Mechanismus trägt also wesentlich dazu bei, dass die Zahl der CD4-positiven T-Zellen immer weiter sinkt bis sich das Krankheitsbild von AIDS entwickelt. Die Forscher vermuten, dass neue Medikamente, die die schädliche Immunantwort verhindern, den fortschreitenden Verlust an CD4-T-Zellen aufhalten könnten.

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Quelle: "Abortive HIV Infection Mediates CD4 T Cell Depletion and Inflammation in Human Lymphoid Tissue", Gilad Doitsh et al.; Cell, Vol. 143, p. 789, DOI: 10.1016/j.cell.2010.11.001


 

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