Gruppenverhalten: Gleich und Gleich bestraft sich gern

Je mehr Angehörige eines Netzwerkes einander ähneln, desto eher bestrafen sie andere Mitglieder für unsoziales Verhalten - das fördert den Zusammenhalt
Wächst durch Gemeinsamkeiten: Zusammenhalt in der Gruppe
Wächst durch Gemeinsamkeiten: Zusammenhalt in der Gruppe
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Köln - Gleich und gleich gesellt sich gern: Tatsächlich belegen zahlreiche sozialwissenschaftliche Untersuchungen, dass wir uns besonders von denen angezogen fühlen, die uns ähneln. Auf diesem als Homophilie bezeichneten Phänomen beruhen auch soziale Netzwerke – je homogener sie sind, desto stärker ist die Gruppenidentität, und das bringt dem Einzelnen Vorteile. Denn innerhalb einer sehr homogenen Gemeinschaft steigt auch die Bereitschaft, Ressourcen untereinander aufzuteilen und positives Verhalten zu belohnen. Wie sich die einzelnen Gruppenmitglieder gegenseitig beeinflussen und welche geistigen Grundlagen die Interaktion in der Gruppe erst möglich machen, war bislang jedoch kaum erforscht. Kölner Sozialwissenschaftler haben nun herausgefunden, dass das uneigennützige Bestrafen anderer Gruppenmitglieder – also eine Bestrafung, die zu eigenen Nachteilen führt – längerfristige Zusammenarbeit fördert. Wie die Forscher im Fachblatt PNAS berichten, wächst die Bereitschaft, Normübertretungen von Gruppenmitgliedern zu bestrafen, je ähnlicher sich die Gruppenmitglieder zu sein glauben. Die Ergebnisse könnten eine Erklärung sein, warum Menschen, die einander ähnlich sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit stabile soziale Beziehungen zueinander aufbauen.

„Menschen haben ein ausgeklügeltes System der Kooperation, das genetische Verwandtschaft, geografische Nähe und zeitliche zeitliche Unmittelbarkeit überschreitet“, sagt Thomas Mussweiler, Sozialpsychologie an der Universität Köln. „Dabei ist das selbstlose Bestrafen anderer essenziell, um kooperatives Verhalten hervorzurufen und aufrecht zu erhalten – vor allem, wenn sich die Zusammenarbeit nicht über Verwandtschaft, wechselseitige Verpflichtungen oder egoistische Interessen rechtfertigen lässt.“ Um zu verstehen, wie und wodurch Menschen andere als „ähnlich“ oder „anders“ einstufen und inwiefern das die Art der Bestrafung beeinflusst, entwickelten Mussweiler und sein Kollege Axel Ockenfels ein zweistufiges Experiment: Zuerst wurden zwei Gruppen von Versuchsteilnehmern darauf trainiert, sich entweder auf Ähnlichkeiten oder aber auf Unterschiede zu fokussieren, indem sie jeweils zwei Fotografien betrachten und miteinander vergleichen sollten.

Anschließend nahmen die Teilnehmer beider Gruppen an einem Rollenspiel teil, bei dem Zusammenarbeit zweier Partner eine wichtige Rolle spielte. Dabei erhielen zuerst beide Spieler jeweils kleine Geldsummen, die sie freiwillig ganz oder in Teilen an ihren Partner weitergeben konnten. Mit jedem so erhaltenen Euro erhielt der Partner einen weiteren Euro von den Forschern zusätzlich. In der anschließenden „Bestrafungsphase“ erhielten beide Spieler nochmals einen kleinen Geldbetrag, den sie entweder behalten oder investieren konnten, um den Besitz des Partners zu minimieren. Jeder so investierte Euro führte allerdings bei dem Partner, der ihn ausgegeben hatte, auch zu einer Minimierung seines eigenen Vermögens.

Bei dem Gruppenspiel zeigte sich, dass der Kooperations-Wille offenbar jenen Probanden besonders wichtig war, die beim vorherigen Vergleich der Fotos auf die Ähnlichkeiten zwischen den Bildern geachtet hatten: Sie nahmen im zweiten Teil des Experiments bei ihren Mitstreitern eher die Ähnlichkeiten zu sich selbst war. In der Folge bestraften sie ein unkooperatives Verhalten ihrer Partner eher als jene Probanden, die während des Bildertests die Unterschiede zwischen den Darstellungen gesucht hatten. Sie gaben in der „Bestrafungs-Phase“ eigenes Geld aus, um das Vermögen des Gegenübers zu kürzen und sich so für dessen vorheriges unkooperatives Verhalten zu rächen. Mussweiler betrachtet dieses Verhalten als Indiz für eine starke Identifikation des Bestrafenden mit seinem Partner: „Jemand anderen zu bestrafen ist umso wahrscheinlicher, je sicherer der Bestrafende ist, dass der Missetäter seine normativen Erwartungen teilt und sich des Verstoßes bewusst ist.“ Wie die Studie zeigt, projizieren Menschen ihre eigenen Werte und Perspektiven besonders dann in ihr Gegenüber hinein, wenn sie den Anderen als ähnlich wahrnehmen. „Diese Wahrnehmung wird interessanterweise von einem rein kognitiven Mechanismus beeinflusst“, sagt Mussweiler, „der Konzentration auf Gemeinsamkeiten.“ Sie kann, darauf deuten die Untersuchungsergebnisse hin, unabhängig von wirtschaftlichen, sozialen und biologischen Gemeinsamkeiten variieren.

Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass Gemeinsamkeiten zwischen den Mitgliedern eines Netzwerkes Verhaltensweisen fördern, von der eine Gruppe profitiert. Glauben Individuen, viel gemein zu haben, koordinieren sie sich besser mit anderen und sind hilfsbereiter. Das Studienergebnis lässt nun vermuten, dass die auf wahrgenommenen Ähnlichkeiten beruhende altruistische Bestrafung wie ein zwischenmenschlicher Kleber funktioniert: Sie fördert nicht nur die Zusammenarbeit ähnlicher Menschen, sondern hält diese auch dauerhaft zusammen - Gleich und Gleich bauen stabile Beziehungen auf.

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