Gravierende Neudatierung: Grand Canyon vermutlich 60 Millionen Jahre älter als bisher angenommen

Isotopenanalysen von Mineralen liefern Belege für sehr frühe Entstehung – Erosion hält bis heute an
Blick in den östlichen Teil des Grand Canyons
Blick in den östlichen Teil des Grand Canyons
© Rebecca Flowers
Boulder (USA) - Bis zu 1.800 Meter tief schneiden sich die Schluchten des Grand Canyons in eine weite Plateau-Landschaft in Arizona. Neue Gesteinsanalysen amerikanischer Geologen zeigen nun, dass dieses grandiose Naturdenkmal bereits vor etwa 70 Millionen Jahren entstanden sein könnte. Bisher gingen Wissenschaftler auf der Basis zahlreicher Modelle von einer Entstehungszeit vor fünf bis sechs Millionen Jahren aus. Die neuen Ergebnisse, vorab veröffentlicht von der Zeitschrift „Science“, werden daher die sehr kontroverse Diskussion unter Geologen über den Ursprung des Grand Canyons weiter anheizen.

„Wegen der Vielfalt widersprüchlicher Daten streiten Wissenschaftler seit über 150 Jahren über das Alter des Grand Canyons“, sagt Rebecca Flowers von der University of Colorado in Boulder. Der Brisanz ihrer neuen Datierung, die die Entstehungszeit um etwa 60 Millionen Jahre früher ansetzt als bisher angenommen, ist sich die Geologin bewusst. Zusammen mit ihrem Kollegen Kenneth Farley vom California Institute of Technology analysierte sie die Anteile radioaktiver Isotope in Apatit-Gesteinen, gesammelt an der Basis im Osten der etwa 450 Kilometer langen Grand Canyon-Schlucht.

Die verblüffende Datierung der Phosphat haltigen Minerale ergab sich aus dem Verhältnis verschiedener eingeschlossener Isotope der teils radioaktiven Elemente Helium, Uran und Thorium. Die relative Element-Konzentration diente den Geologen dabei als Stoppuhr, die recht genau anzeigte, wann sich die Gesteine an die Erdoberfläche bewegten und den Kontakt zu tieferen Schichten im Erdmantel verloren hatten. Verknüpft mit dem Fundort der Minerale konnten Flowers und Farley daher folgern, dass bereits vor bis zu 70 Millionen Jahren nicht nur das gesamte Plateau um bis zu 3.000 Meter angehoben wurde, sondern dass sich bereits kurz darauf erste Schluchtstrukturen bildeten.

Für die heutige Tiefe der Schluchten spielten allerdings ebenso die geologischen Prozesse vor etwa 5,3 Millionen Jahren eine wichtige Rolle. Damals öffnete sich der Golf von Kalifornien und erlaubte dem Colorado River, sich immer tiefer in die Gesteinsplatten einzugraben. Diese Annahme konnten vor vier Jahren auch Geologen um Alan Levander von der Rice Unversity in Houston mit seismischen Messungen der Grand Canyon-Region stützen. Darauf folgende Eiszeiten und Vulkanismus fürhten neben der bis heute stattfindenden Erosion zur aktuellen Gestalt der Schluchten. Doch die Kontroverse, wann sich nun tatsächlich die ersten Canyon-Strukturen gebildet haben – vor 5,3 oder fast 70 Millionen Jahren - könnte sich erst mit weiteren, ausgefeilten Gesteinsdatierungen und geologischen Untersuchungen auslösen lassen.

Für eine aktive Gruppe von Kreationisten ist diese Diskussion allerdings völlig überflüssig. Wie der Amerikaner Tom Vail in seinem Buch „Grand Canyon: A Different View“ 2003 schrieb, sei – belegt allein durch die biblische Geschichte – der Grand Canyon vor erst 6.000 Jahren während der Sintflut entstanden. Seine Sichtweise führte wenig später zu einem Eklat im Grand Canyon Nationalpark. Denn das Buch wurde in der offiziellen Nationalpark-Buchhandlung in der Abteilung „Wissenschaft“ angeboten und war ein Verkaufsschlager. Erst Monate später erkannte die Parkverwaltung ihren Fehler und sortierte das kreationistische Werk dort ein, wo es auch hingehört: In die Abteilung „Inspirational“ für religiöse und esoterische Schriften.

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