Gewalt und Drogenmissbrauch im Hirn

Spezifische Veränderungen der grauen Substanz gehen mit gewalttätigem Verhalten und einem Hang zur Sucht einher
Essen - Sowohl der Hang zur Gewalt als auch der zu Sucht und Drogenmissbrauch spiegelt sich im Gehirn wider. Die Verteilung der sogenannten grauen Substanz ist charakteristisch: Deren Masse scheint bei relativ gewaltbereiten Männern vergrößert in bestimmten Hirnbereichen, die mit dem Belohnungssystem zusammenhängen. Bei Männern mit Suchtproblemen dagegen ist sie verringert in Arealen, die unter anderem mit Verhalten und der Verarbeitung von Emotionen in Zusammenhang gebracht werden. Diese Unterschiede im Vergleich zu Menschen, die diese Neigungen nicht haben, haben Essener Forscher mit Hilfe von Kernspintomographie-Aufnahmen beobachtet. Ihre Studie mit insgesamt 51 Männern schildern sie im Fachblatt "Archives of General Psychiatry" (doi:10.1001/archgenpsychiatry.2011.61).

"Was Ursache für die Volumenvergrößerungen ist, darüber kann momentan nur spekuliert werden", erklärt Boris Schiffer vom Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen gegenüber Wissenschaft aktuell. "Allerdings zeigen Kinder mit Störungen des Sozialverhaltens und mangelnder Emotionalität bereits Volumenvergrößerungen einiger relevanter Hirnareale", erläutert er weiter. "Im Zusammenhang mit unseren Daten spricht dies für früherworbene Veränderungen in der Hirnentwicklung, die durch genetische Effekte, pre-peri-postnatale Traumen, Umwelteffekte sowie Interaktionseffekte dieser Faktoren erklärt werden können. Im Gegensatz dazu scheinen die Veränderungen des präfrontalen Kortex, der erst viel später in der Entwicklung völlig ausgereift ist, durch fortgesetzten Substanzmissbrauch in seinem Volumen gemindert zu werden - mit den beschriebenen Folgen für Impulsivität." Schiffer und seine Kollegen hatten die Gehirne in vier Gruppen von Männern untersucht: 12 Probanden zeigten sowohl Sucht- als auch Gewaltauffälligkeiten, 12 weitere nur einen Hang zur Gewalt, 13 weitere Sucht- beziehungsweise Drogenprobleme und 14 weder das eine noch das andere.

Bei ihren Analysen der kernspintomographischen Aufnahmen zeigten sich die charakteristischen Unterschiede. In Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten stand ein größeres Volumen der grauen Substanz im mesolimbischen System, das an der Entstehung von Belohnungsgefühlen und auch an der von Emotionen wie Freude beteiligt ist. Außerdem beobachteten sie eine Verringerung des Volumens im linken Inselkortex. Bei Teilnehmern mit Sucht- oder Drogenproblemen war das Volumen dagegen im präfrontalen Kortex, im orbitofrontalen Kortex sowie in Teilen des Motorkortex verringert.

"Die entscheidende Aussage ist die, dass eine früh erworbene Gewaltneigung insbesondere die für instrumentelle Gewaltanwendung - wie sie für psychopathische Täter charakteristisch ist - nicht wie bisher angenommen mit Volumenminderungen in präfrontalen Hirnarealen assoziiert ist, sondern mit Volumenvergrößerungen in Arealen des mesolimbischen Belohnungssystems sowie Volumenminderungen im Inselkortex", erläutert Schiffer. Nichtsdestotrotz gebe es einen starken Zusammenhang zwischen Substanzabhängigkeit und gewalttätigem Verhalten insofern, als die präfrontalen Hirnareale, die wichtig für die Verhaltenssteuerung und -kontrolle sind, durch fortgesetzten Alkohol- und Drogenmissbrauch in ihrem Volumen gemindert werden und damit vermutlich nicht mehr normal funktionieren. "Das hat zur Folge, dass Hemmungsmechanismen nicht mehr richtig funktionieren und es vermehrt zu impulsiven Formen gewalttätigen Verhaltens kommen kann."

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Disentangling Structural Brain Alterations Associated With Violent Behavior From Those Associated With Substance Use Disorders", Boris Schiffer et al.; Archives of General Psychiatry (doi:10.1001/archgenpsychiatry.2011.61)


 

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