Gähnen ist ansteckend - aber erst ab vier Jahren
"Vorausgesetzt, ansteckendes Gähnen ist ein Zeichen von Empathie, legt diese Studie nahe, dass Empathie - und die Nachahmung, die ihr zugrunde liegen könnte - sich langsam über die ersten Lebensjahre hinweg entwickeln und dass Kinder mit einer Autismusspektrums-Störung dezente Hinweise verpassen, welche sie emotional an andere binden", schreiben Deborah A. Fein von der University of Connecticut und ihre Kollegen. Ihre Studie könnte damit eine Orientierungshilfe für Ansätze darstellen, mit autistischen Kindern so zu arbeiten, dass auf solche Hinweise speziell geachtet wird.
Bereits im Mutterleib gähnt das Ungeborene spontan, aber ansteckend ist es für Babys noch nicht. Doch bei Erwachsenen gähnt etwa die Hälfte ebenfalls, nachdem in ihrer Nähe jemand gegähnt hat. In ihren Untersuchungen hatten Fein und Kollegen bei 120 Kindern im Alter von 1 bis 6 Jahren getestet, wie anfällig sie für ansteckendes Gähnen sind. Damit wollten sie den Zeitraum in der Entwicklung ausmachen, in dem das Phänomen entsteht. Die Forscher stellten fest: Ab einem Alter von vier Jahren lassen sich Kinder beträchtlich häufiger anstecken als zuvor. In einer weiteren Studie mit 28 autistischen Kindern im Alter von 6 bis 15 Jahren beobachte das Team um Fein, dass sich diese weit schwerer von Gähnen anstecken lassen als gesunde Altergenossen. Diejenigen mit einer milderen Variante des Autismus waren dabei allerdings anfälliger für ansteckendes Gähnen als diejenigen mit einer voll ausgeprägten autistischen Störung.
Emotionale Ansteckung und das damit verbundene Nachahmen erlaubt es womöglich, sich bei sozialer Interaktion intuitiv in die Gefühle anderer zu versetzen. Die Fähigkeit, sich in Bezug auf Emotionen anstecken zu lassen, bietet Psychologen eine Möglichkeit, die Ursprünge automatischer sozialer Verhaltensweisen zu studieren, die möglicherweise die Grundlagen für die Entwicklung von Empathie legen.
"Contagious Yawning in Autistic and Typical Development", Molly S. Helt, Deborah A. Fein et al.; Child Development (Vol. 81, Issue 5)