Fresszellen räumen Babyhirne auf

Mikroglia-Zellen begrenzen die Vernetzung der Neuronen während der normalen Reifung des Gehirns
Gehirnzellen der Maus: Mikroglia-Zellen sind grün, Zellkerne blau gefärbt.
Gehirnzellen der Maus: Mikroglia-Zellen sind grün, Zellkerne blau gefärbt.
© EMBL/ R.Paolicelli
Monterotondo (Italien) - Im Verlauf der kindlichen Hirnentwicklung wird ein Teil der Verbindungen zwischen den Nervenzellen nach der Geburt wieder aufgelöst. Dabei spielen die sogenannten Mikroglia-Zellen eine bisher unbekannte wichtige Rolle, berichten italienische Forscher. So wie Gärtner allzu dichtes Geäst in Sträuchern auslichten, bauen diese Zellen überflüssige - weil nicht genutzte - Teile des Netzwerks von Hirnzellen wieder ab. Mikroskopische Untersuchungen bei Mäusen ergaben: Wenn die Funktion der Mikroglia-Zellen beeinträchtigt ist, bleibt ein dichteres Netz von Nervenverbindungen bestehen, was die Reifung des Gehirns behindert. Das könnte eine Ursache von Autismus oder anderen Gehirnerkrankungen sein, schreiben die Wissenschaftler in einer Online-Vorabveröffentlichung der Zeitschrift "Science".

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Mikroglia-Zellen für die richtigen Verbindungen im Gehirn sorgen. Sie eliminieren Synapsen, um Platz zu schaffen, damit die effektivsten Kontakte zwischen den Neuronen gestärkt werden", sagt Cornelius Gross vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Monterotondo. Ähnlich wie Fresszellen - die Makrophagen - in anderen Körperteilen beseitigen die Mikroglia-Zellen im Gehirn Fremdkörper und Reste abgestorbener Zellen nach einer Verletzung. Nun konnten Gross und Kollegen erstmals eine weitere Funktion dieser Zellen nachweisen: Die Mikroglia-Zellen nehmen in den ersten Wochen nach der Geburt Teile von Nervenzellen auf, die als Synapsen den direkten Kontakt zwischen den Zellen herstellen. Indem so die Anzahl der Synapsen sinkt, werden die übrig bleibenden Verbindungen stabilisiert, was für eine normale Entwicklung des Gehirns erforderlich ist.

Genetisch veränderte Mäuse, die über weniger aktive Mikroglia-Zellen verfügten, hatten im Vergleich zu normalen Mäusen im Alter von drei Wochen deutlich mehr Kontaktstellen zwischen den Neuronen des Gehirns. Eine ähnlich veränderte Struktur des Hirngewebes fand man in einigen Fällen bei Menschen, die an Autismus erkrankt waren. Die Fehlfunktion von Mikroglia-Zellen könnte also Krankheiten verursachen, die auf einer gestörten Entwicklung des Gehirns beruhen, sagt Gross. Weitere Versuche mit Mäusen sollen klären, ob die mangelnde Aktivität von Mikroglia-Zellen auch zu Verhaltensstörungen führt. Außerdem wollen die Forscher untersuchen, welche Aufgaben diese Hirnzellen im gesunden Gehirn von Erwachsenen eigentlich haben.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Synaptic pruning by microglia is necessary for normal brain development", Rosa C. Paolicelli et al.; Science, doi: 10.1126/science.1202529


 

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