Elektroschrott-Recycling: Schon Einatmen ist gefährlich

Studie zeigt schädigende Wirkung der Umgebungsluft auf Lungenzellkulturen
Hangzhou (China) - Wer Elektroschrott in seine Bestandteile zerlegt, muss seine Gesundheit besonders gut schützen: Die enthaltenenen Schadstoffe, die offenbar selbst bei ordnungsgemäßem Recycling in die Umgebung gelangen, schädigen vermutlich die Lunge. Das berichten chinesische Forscher, die im Labor den Effekt solcher Luft auf menschliche Lungenzellen testeten. Sie fanden einen deutlichen Anstieg zweier Marker, die auf Entzündungsreaktionen und so genannten oxidativen Stress hindeuten und Vorläufer sind von Herzkreislaufleiden und anderen Krankheiten. Außerdem stiegen die Werte eines Proteins, das auf Zellschäden und das mögliche Entstehen von Krebs hinweist. Die Forscher beschreiben ihre Ergebnisse im Fachblatt "Environmental Research Letters" und fordern, das "offene Recyceln" von Elektroschrott ohne Abschottung und Schutzmaßnahmen zu verbieten und die genutzten, teils primitiven Werkzeuge dabei zu verbessern. Über die Luft verbreiten sich bei ungeschütztem Zerlegen des Elektroschrotts Schwermetalle und andere Schadstoffe in die Umgebung. Alljährlich werden heute weltweit alte Fernseher, Computer, Mobiltelefone und Co. zu rund 20 Millionen Tonnen Elektroschrott. Recycelt wird davon nur ein Teil direkt in Europa. Der Rest gelangt zum billigen Zerlegen vor allem nach Afrika und Asien.

"Sowohl Entzündungsreaktionen als auch oxidativer Stress können zu DNA-Schäden führen, die das Entstehen von Tumoren und sogar Krebs auslösen", erklärt Fangxing Yang von der Zhejiang-Universität westlich von Shanghai. Ihr Team hatte zunächst Luftproben gesammelt, direkt im Umfeld von Taizhou im Südosten Chinas - einem der landesweit größten Standorte für Elektroschrott-Recycling. In diese Luft setzten die Forscher im Labor Zellkulturen von Epithelzellen aus menschlichem Lungengewebe - ein ähnlicher Kontakt zwischen Lunge und Schadstoffen, wie er auch beim Einatmen stattfinden dürfte. Bevor und nachdem die lebenden Zellen den wasserlöslichen und organisch löslichen Schadstoffen ausgesetzt waren, untersuchten die Forscher die Menge des Botenstoffes Interleukin-8, die bei Entzündungsreaktionen ansteigt. Als zweiter Marker dienten so genannte Sauerstoffradikale, welche als chemisch aggressive Moleküle starke Zellschäden anrichten können.

Gesundheitsschutz notwendig

Beide Werte waren nach Kontakt mit der Schadstoff belasteten Luft deutlich angestiegen, schreiben die Forscher. Außerdem stieg die Menge des Eiweißes p53 in den Proben, besonders nach Kontakt mit organisch löslichen Schadstoffen. P53 produziert der Körper vor allem in geschädigten Zellen als eine Art Reparaturhelfer, weshalb es auch als Anzeichen für solche Schäden gilt. Es ist bekannt, dass Entzündungsreaktionen und erhöhte Mengen an Sauerstoffradikalen zu Schäden am Erbgut führen können, mögliche Herzkreislaufkrankheiten anzeigen und eventuell die Tumorbildung fördern.

Eine weitere Studie soll nun versuchen, die einzelnen Schadstoffe in der belasteten Luft zu identifizieren und die Hauptverursacher der Gesundheitsschäden zu finden. Yang zieht das Fazit: "Bei diesen Ergebnissen ist klar, dass das 'offene' Zerlegen von Elektroschrott verboten werden muss, während man die Techniken verbessert. Da unsere Ergebnisse potenziell schädliche Effekte auf die menschliche Gesundheit zeigen, müssen Arbeiter in diesen Anlagen auch ausreichende Schutzkleidung bekommen."

In Taizhou in der aufstrebenden Provinz Zhejiang arbeiten seit 2004 mehr als 60.000 Menschen daran, in einer staatlichen Anlage jährlich mehr als zwei Millionen Tonnen des technischen Mülls in seine teils wertvollen Einzelteile zu zerlegen. Auch in Deutschland wird Elektroschrott recycelt, meist maschinell und vor allem, um Rohmaterialien wie Gold, Platin und Indium wieder zu gewinnen. Allerdings werden jedes Jahr auch mehr als 155.000 Tonnen deutschen Elektroschrotts in das außereuropäische Ausland exportiert, wie im März aus einer Studie des Hamburger Instituts für Ökologie und Politik hervorging. Diese Mengen gelangten demnach vor allem nach Südostasien und Afrika und würden dort nur selten umweltgerecht und gesundheitsschonend wiederverwertet.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Comparisons of IL-8, ROS and p53 responses in human lung epithelial cells exposed to two extracts of PM2.5 collected from an e-waste recycling area, China"; Environmental Research Letters, Bd. 6, 024013.


 

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