Durchtrennte Nerven wachsen nach
"Wir haben einen molekularen Angriffspunkt für ein zukünftiges Medikament entdeckt, das die Fähigkeit eines Neurons, sich nach einer Verletzung zu regenerieren, stark verbessern könnte", sagt Michael Bastiani vom Brain Institute der University of Utah in Salt Lake City. Er und seine Kollegen haben in Experimenten mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans untersucht, welche Gene aktiv sein müssen, damit durchtrennte Fortsätze von Motoneuronen wieder nachwachsen. Dazu veränderten sie die Würmer genetisch so, dass ihre Nervenzellen ein grün fluoreszierendes Protein bildeten und so besser erkennbar waren. Durch die Technik der RNA-Interferenz inaktivierten sie jeweils eines von insgesamt 5000 Genen und prüften, ob sich die Regenerationsfähigkeit veränderte. Dabei stellten sie fest, dass das Gen dlk-1 für die Regeneration durchtrennter Fortsätze unbedingt nötig war. Das Gen aktiviert einen auch in menschlichen Zellen vorhandenen Reaktionsweg, der verletzte Nervenfasern nachwachsen lässt. Eine übermäßig verstärkte Aktivität des Gens konnte das Wachstum sogar über das normale Maß hinaus steigern. Auf diese Weise regenerierten sich bei alten Würmern geschädigte Nervenzellen wieder genauso effektiv wie bei jungen.
Die Forscher hatten erwartet, dass dlk-1 auch im Embryo bei der Entstehung des Nervensystems eine wichtige Rolle spielt. Das war aber nicht der Fall. Das Gen hat offenbar nur für spätere Regenerationsprozesse eine Funktion. Aber warum ist es dann bei Würmern und anderen Tieren abgeschaltet oder nur schwach aktiv? "Möglicherweise handelt es sich hier um einen Kompromiss zwischen der Fähigkeit zur Regeneration einerseits und der Erhaltung von Stabilität andererseits", vermutet Bastiani. Wenn Gehirnzellen öfter durch neue ersetzt würden, wäre es beispielsweise nicht möglich, lebenslange Erinnerungen zu speichern. Die Forscher wollen nun prüfen, ob der jetzt entdeckte Regenerationsmechanismus in menschlichen Zellen gleichermaßen abläuft. Dann könnte man nach Wirkstoffen suchen, um Rückenmarksverletzungen zu heilen oder degenerative Nervenkrankheiten zu behandeln.