Die Uneigennützigkeit der Siebenjährigen

Erst ab dem 7. Lebensjahr wandeln sich Kinder von kleinen Raffkes und Egoisten zu sozial denkenden Persönlichkeiten
Zürich (Schweiz)/Erfurt - "Denn sie sind alt genug, alles zu teilen", hieß es in den Siebzigern in einem Werbespot für Schokoladendrops. Jetzt haben deutsche und schweizerische Wissenschaftler herausgefunden, ab wann der Mensch alt genug ist, um zu teilen: Es ist das siebente Lebensjahr, in dem Kinder ein Gefühl für gerechte Verteilung entwickeln, schreiben die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature".

Fast 230 Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren nahmen an einem Experiment des Forscherteams um Ernst Fehr von der Universität Zürich teil. Die Kinder spielten drei verschiedene Spiele, in denen sie ein für sie wertvolles Gut - verschiedene Süssigkeiten - zwischen sich und einem von Spiel zu Spiel wechselnden anderen Kind aufteilen mussten. Etwa die Hälfte der Kinder wusste bei der Entscheidung für oder gegen das Teilen, dass das andere Kind im selben Kindergarten oder auf der selben Schule war. Die andere Hälfte der Kinder wusste, dass das andere Kind einem anderen Kindergarten oder einer anderen Schule angehörte.

Es zeigte sich, dass bei den 3- bis 4-jährigen Kindern Eigennutz die vorherrschende Verhaltensweise ist. Bei der Aufteilung versuchten sie, sich den maximalen Anteil zu sichern. Für das Wohlergehen der anderen hatten sie überhaupt keinen Sinn. Die 5- bis 6-jährigen Kinder zeigten zwar ein im Vergleich zu den Jüngeren gesteigertes Interesse am Wohle der anderen, dennoch war auch hier Eigennutz das vorherrschende Verhalten. Erst bei den 7- bis 8-Jährigen ergab sich ein deutlich anderes Bild: Fast die Hälfte der Kinder diesen Alters teilte mit dem anderen Kind. Und eine klare Mehrheit hatte auch das Wohlergehen des anderen im Blick. Dabei ging es um die Herstellung von Auszahlungsgleichheit: Das andere Kind sollte weder mehr noch weniger als das aufteilende Kind erhalten. Es ging also nicht darum, dem anderen Kind etwa die Reste von der eigenen Portion zu überlassen. Es zeigte sich jedoch, dass mit zunehmender Teilungsbereitschaft auch die Bevorzugung der eigenen Gruppe zunahm. Während also die Siebenjährigen noch eine so genannte "Ungleichheitsaversion" hatten, unterschieden die Achtjährigen schon deutlich, ob das andere Kind zur eigenen oder zu einer anderen Schule gehörte.

Von Schimpansen weiß man aus früheren Studien, dass sie eine geringe Bereitschaft aufweisen, Futter mit einem Bekannten zu teilen und dabei eigennütziges Verhalten aufweisen, ähnlich dem der sehr jungen Kinder. Bereits das Verhalten der 7- bis 8-Jährigen unterscheidet sich deutlich von dem der erwachsenen Schimpansen. Dass uns Menschen - im Gegensatz zu anderen Spezies - das Wohle der anderen am Herzen liegt, mag eine entscheidende Erklärung für die außergewöhnliche Kooperationsfähigkeit der Menschen sein, folgern die Wissenschaftler.

Universität Zürich
Quelle: "Egalitarianism in young children", Ernst Fehr, Helen Bernhard, Bettina Rockenbach; Nature, Volume 454, Nr. 7208, doi: 10.1038/nature07155


 

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