Der wahre Grund: Warum Neugeborene so leicht an Infektionen erkranken

In den ersten Lebenswochen wird die Immunabwehr unterdrückt, um die Besiedlung des Darms mit nützlichen Bakterien zu ermöglichen
In den ersten Lebenswochen wird die Funktion von Immunzellen bei Neugeborenen unterdrückt, damit Bakterien den Darm besiedeln können.
In den ersten Lebenswochen wird die Funktion von Immunzellen bei Neugeborenen unterdrückt, damit Bakterien den Darm besiedeln können.
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Cincinnati (USA) - Bisher dachte man, dass Neugeborene deshalb besonders anfällig für Infektionen sind, weil ihr Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Zu einem ganz anderen Schluss kommen jetzt amerikanische Mediziner nach Untersuchungen an Blutzellen von Mäusen und Menschen: Neugeborene unterdrücken aktiv ihre Immunabwehr. Damit ermöglichen sie die Besiedlung ihres Darms durch Bakterien, die der Gesundheit des Menschen dienen. Der so erzielte Nutzen ist offenbar größer als die damit verbundene Gefährdung durch eine geschwächte Abwehr von Krankheitserregern in der frühen Lebensphase, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature“. Sie arbeiten nun an neuen Möglichkeiten, den Infektionsschutz von Säuglingen zu verbessern.

„Unsere Ergebnisse liefern eine völlig neue Erklärung dafür, warum Neugeborene so leicht an Infektionen erkranken“, sagt Sing Sing Way vom Cincinnati Children’s Hospital. In den ersten Tagen nach der Geburt gelangen Bakterien in den bisher sterilen Darm des Kindes. Damit beginnt der Aufbau einer Mischpopulation von Darmkeimen, die lebenslang bestehen bleibt. Um diesen Prozess nicht zu stören, darf das Immunsystem die Eindringlinge nicht bekämpfen. Daher wird es vorübergehend unterdrückt, bis es gelernt hat, die Mikroben zu tolerieren, wie das Forscherteam von Way herausgefunden hat. Für diese Hemmung sind Vorläufer von roten Blutkörperchen verantwortlich. Diese CD71-Zellen – benannt nach dem Oberflächenprotein CD71 – werden von neugeborenen Mäusen vermehrt gebildet und sind auch in menschlichem Nabelschnurblut in größerer Zahl vorhanden.

Wurden Immunzellen von erwachsenen Mäusen mit solchen Zellen in einer Laborkultur gemischt, blockierte das die Abwehrreaktion der Immunzellen bei Kontakt mit Bakterien. Das erklärte auch, warum die Übertragung von reifen Immunzellen erwachsener Mäuse in neugeborene Mäuse die Immunabwehr der Tiere nicht, wie zunächst erwartet, steigerte. Umgekehrt wurden Immunzellen von Babymäusen nach der Übertragung in erwachsene Mäuse aktiviert, da es dort keine CD71-Zellen mit hemmender Wirkung gab. Das bewies, dass die Neugeborenen sehr wohl bereits über funktionsfähige Immunzellen verfügten, die lediglich blockiert waren. Weitere Forschungsarbeiten sollen helfen, neue Verfahren zu entwickeln, um Neugeborene einerseits besser vor Infektionen zu schützen, ohne andererseits die normale Besiedlung ihres Darms mit nützlichen Bakterien zu verhindern.

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