Chipstüte auf – und leer: Was im Hirn geschieht

Studien mit Ratten bestätigen die intensive Wirkung der Snacks auf diverse Hirnregionen, während die Details der Ursache noch unklar bleiben.
Klar ist, dass Kartoffelchips auch ohne Glutamat das Gehirn stark beeinflussen - die Details dieser Wirkung werden nur langsam geklärt
Klar ist, dass Kartoffelchips auch ohne Glutamat das Gehirn stark beeinflussen - die Details dieser Wirkung werden nur langsam geklärt
© D. Sasse
Erlangen /New Orleans (USA ) - Knusprige Kartoffelchips: Ist die Tüte einmal offen, futtern viele Menschen, bis sie leer ist – auch ohne Hunger. Was dabei im Hirn vor sich geht, haben jetzt Erlanger Forscher an Ratten untersucht. Sie konzentrierten sich vor allem auf die hohe Energiedichte von Chips, ihren hohen Gehalt an Fett und Kohlenhydraten, da bekannt ist, dass er unter anderem das Belohnungszentrum im Gehirn anregt. Doch die Versuche übertrafen die Erwartungen: Nicht nur fraßen die Ratten die Chips eifriger als anderes Testfutter, sie waren auch nach dem Fressen noch deutlich angeregter und aktiver als vermutet. Das berichteten die Forscher auf dem 245. Jahrestreffen der American Chemical Society in New Orleans. Sie wollen beantworten, was Menschen, die eigentlich satt sind, zur sogenannten „hedonischen Hyperphagie“ bringt: zum „genussvollen Überfressen“. Dabei beleuchteten sie auch, weshalb manch einer dem Reiz der würzigen Snacks gar nicht erst verfällt.

„Der Effekt von Kartoffelchips auf Hirnaktivität und Fressverhalten ist nur teilweise durch den Fett- und Kohlenhydrat-Gehalt zu erklären“, fasst Tobias Hoch die Ergebnisse zusammen, „da muss etwas anderes in den Chips sein, das sie so begehrenswert macht.“ Der Lebensmittelchemiker an der Universität Erlangen-Nürnberg hatte mit Kollegen zunächst die bekannte Energiedichte-Vermutung überprüfen wollen. Sie boten Ratten nach dem normalen Füttern je eine von drei zerkleinerten Snack-Varianten an: gesalzene Kartoffelchips ohne Gewürz und Geschmacksverstärker, eine vergleichbar energiereiche Mischung aus Kohlenhydraten und Fett - oder sättigendes Standardfutter. Die Tiere fraßen in allen drei Fällen vergleichbare Mengen – doch die Kartoffelchips verzehrten sie aktiver und quasi mit mehr Leidenschaft, während sie den Standardfutter-Snack am uninteressiertesten zu sich nahmen. Und auch in der Zeit nach dem Snack waren die Tiere der Chips-Gruppe deutlich aktiver als in den beiden Vergleichsgruppen.

Das spiegelte sich auch in der Hirnaktivität, die die Forscher per spezieller Magnetresonanztomographie (MEMRI) sichtbar machten: Am stärksten hatten die Kartoffelchips die für Belohnung und für Suchtverhalten zuständigen Bereiche angeregt. Doch auch die Zentren für Essensaufnahme, Aktivität, Bewegung und Schlaf waren in der Chips-Gruppe deutlich aktiver. Bei den anderen beiden Gruppen unterschieden sich die Hirnbilder hingegen nur wenig voneinander, berichtet Hoch.

Frühere Studien anderer Forscher hatten darauf hingedeutet, dass vor allem das Salz an Chips – Natriumchlorid – im Belohnungszentrum des Hirns das Verlangen nach mehr auslöst. Hier unterscheiden sich Ratten allerdings in einem Punkt, obwohl sie sonst in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit dem Menschen reagieren, berichtet Studienleiterin Monika Pischetsrieder gegenüber „Wissenschaft aktuell“: Ratten meiden salziges Futter eher, weil sie das Salz über Flüssigkeit aufnehmen. Daher war es umso erstaunlicher, dass die Tiere im Versuch die salzigen Chips begeisterter fraßen als die ebenso gehaltvolle, aber ungesalzene Mischung. Möglicherweise trägt auch die Knusprigkeit beim Hineinbeißen, die mehrere Sinne anspricht, zum Wunsch nach Mehr bei, wie andere Studien vermuten lassen. Koch und Kollegen gehen das Thema deshalb umfassend an, wollen aber vor allem einen molekularen Hauptauslöser finden, der die Wirkung der Chips auf das Hirn so stark macht.

Das gilt für das Hirn der meisten Menschen: Manche allerdings verspüren bei würzige Snacks nur wenig Verlangen. Das wiederum dürfte an persönlichen Vorlieben liegen, so Hoch: „Wie stark das Belohnungssystem im Hirn bei verschiedenen Personen aktiviert wird, kann sich je nach individuellen Geschmacksvorlieben unterscheiden.“ Manchmal könne das Belohnungssignal bei Würzigem einfach zu schwach sein, um etwa bei Süßigkeiten-Fans Begeisterung auszulösen. Andere hingegen könnten auf eine starke Willenskraft zurückgreifen, um nicht die ganze Tüte leerzuessen. Falls die Erlanger Forscher tatsächlich den gesuchten Auslöser finden, können sie sich vorstellen, dass es künftig auch Gegenmittel geben könnte, die das Verlangen nach Chips & Co. dämpfen helfen. Für die Zukunft stehen zunächst einmal MRI-Studien mit Menschen auf ihrem Programm.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Everyday desire: Inuence of snack food on whole brain activity patterns“, T. Hoch, S. Kreitz, A. Hess, M. Pischetsrieder; Präsentation auf der 245. Tagung der American Chemical Society, 11.4.13, AGFD 340


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg