Champagner: Farbenspiel nach dem Korkenknall entschlüsselt

Grauweiße oder blaue Schwaden: Temperatur der Flasche entscheidet, ob Wasser oder Kohlendioxid gefriert
Knallende Champagnerkorken: Die Flaschentemperatur bestimmt, ob weißgraue oder blaue Schwaden nach dem Öffnen entstehen.
Knallende Champagnerkorken: Die Flaschentemperatur bestimmt, ob weißgraue oder blaue Schwaden nach dem Öffnen entstehen.
© Equipe Effervescence / URCA
Reims (Frankreich) - Wer Champagnerkorken knallen lässt, kann Zeuge eines verblüffenden Farbenspiels werden. Denn für einen kurzen Augenblick nach dem Plopp bildet sich ein weißgrauer Nebel über der Flaschenöffnung oder gar ein blauer Nebel im Flaschenhals. Die Ursache dafür entschlüsselten nun französische Wissenschaftler aus Reims, der Hauptstadt der Champagne. Ihre detaillierte Analyse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“, offenbart, dass abhängig von der Flaschentemperatur mal Wassertröpfchen zu Eis und mal Kohlendioxid zu Trockeneis gefrieren.

„Fast jeder hat schon mal eine Sektflache geöffnet. Doch wer weiß schon, wieviel Wissenschaft in diesem simplen Vorgang steckt?“, sagt Gérard Liger-Belair von der Université de Reims Champagne-Ardenne. Nach zahlreichen Studien etwa zur Bläschenbildung oder zur Beschleunigung fliegender Champagnerkorken widmete er sich mit seiner Arbeitsgruppe nun den Schwaden, die sich für Millisekunden nach dem Öffnen um den Flaschenhals bilden. Mit Aufnahmen einer Hochgeschwindigkeitskamera und Temperatursensoren enthüllten die Forscher eine unerwartet komplexe Wechselwirkung zwischen Gasgemisch und den herrschenden Drücken und Temperaturen.

Sausten die Korken aus sehr gut, auf nur sechs Grad gekühlten Champagnerflaschen, bildete sich ein grauweißer Nebel über der Öffnung. Verantwortlich dafür war die starke Abkühlung des Gasgemischs aus Luft, Wasserdampf und Kohlendioxid auf etwa minus 78 Grad Celsius, die bei dem plötzlichen Druckabfall beim Entweichen des Korkens auftrat. Diese Kühlung durch die so genannte adiabatische Expansion ließ Wassertröpfchen zu kleinen Eiskristallen gefrieren. Diese streuten diffus das einfallende Licht, so dass weißgraue Schwaden sichtbar wurden. (Mie-Streuung)

Poppten die Korken jedoch aus 20 Grad warmen Flaschen, waren dagegen kein weißgrauer Mininebel mehr sichtbar. Dafür konnten die Forscher blaue Schwaden im Flaschenhals beobachten. Die Ursache: In der warmen Flasche herrschte mit 7,5 bar ein deutlich höherer Ausgangsdruck des eingeschlossenen Kohlendioxids als in der stark gekühlten Flasche, die es nur auf 4,5 bar brachte. Da nun aber ein höherer Druck beim Öffnen plötzlich auf Normaldruck der Umgebung absackte, war auch der Kühleffekt über die adiabatische Expansion größer. Das Gasgemisch kühlte sich auf minus 90 Grad Celsius ab. Das war nun kalt genug, um das Kohlendioxid im Flaschenhals zu Trockeneis zu gefrieren zu lassen. Da die Trockeneiskristalle sehr klein waren, streuten sie bevorzugt den blauen Anteil im Lichtspektrum und blaue Schwaden wurden sichtbar. (Rayleigh-Streuung)

Nun mochte es überraschen, dass trotz der tieferen Temperaturen nach dem Öffnen der warmen Flasche gar kein Wasserdampf über dem Flaschenhals gefrieren konnte. Das begründeten die Champagner-Forscher damit, dass das Kohlendioxid den Großteil der gebildeten Kälte bereits für die Bildung von Trockeneis aufgenommen hatte und es oberhalb der Flaschenöffnung schlicht nicht mehr kalt genug für das Gefrieren von Wasser war. Doch bei auf zwölf Grad gekühlten Flaschen ließen sich jeweils weniger stark ausgeprägt beide Phänomene – weißgraue und blaue Schwaden – beobachten. In weiteren Studien will sich Gérard Liger-Belair mehr den Bedingungen der idealen Verkostung von Champagner widmen. „Aktuell arbeiten wir intensiv mit Glasbläsern und Sommeliers zusammen, um besser zu verstehen, wie die Form eines Glases den Geschmack beeinflussen könnte“, sagt er.

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