COP22 Klimagipfel - Gastgeber Marokko setzt auf Wüstenstrom

Marokko will bis 2030 mehr als die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Welthöchster Solarturm mit 150 Megawatt Leistung entsteht zwischen Atlas-Gebirge und Sahara.
Rohbau des weltgrößten Solarturmkraftwerks Noor III in Ouarzazate, Marokko. Der Betonstumpf ist bereits knapp 200 Meter hoch, gut 40 Meter Stahlgerüst folgen.
Rohbau des weltgrößten Solarturmkraftwerks Noor III in Ouarzazate, Marokko. Der Betonstumpf ist bereits knapp 200 Meter hoch, gut 40 Meter Stahlgerüst folgen.
© Jan Oliver Löfken
Marrakesch (Marokko) - Kurz vor dem Beginn der COP22-Klimakonferenz kommenden Montag putzt sich das trubelige Marrakesch heraus. „Agir, Actuar, Act“ - mehrsprachig fordern unzählige Flaggen am Straßenrand zum Handeln auf, um die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Hoch sind die Erwartungen nach dem verblüffend schnellen Inkrafttreten des Klimaschutzabkommens von Paris. „Jetzt beginnt die echte Arbeit. Länder weltweit müssen erheblich stärkere Pläne zur Emissionsreduktion entwerfen, wenn sie es ernst meinen mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich weniger als zwei Grad Celsius“, sagt Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) kurz vor Beginn des Klimagipfels.

Auch Gastgeber Marokko befindet sich mitten in einer grundlegenden Energiewende, eingeleitet mit starker internationaler Unterstützung. Bisher weitestgehend von Importen fossiler Energieträger abhängig, will das Land bis 2020 mehr als 40 Prozent seines Stroms mit Sonne, Wind und Wasser gewinnen. 2030 sollen es sogar 52 Prozent werden. Der dynamische Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken zeigt, dass auch in weniger entwickelten Länder eine umfassende Energiewende möglich ist. Dazu entsteht in der trockenen und dünn besiedelten Region zwischen Sahara und Atlas-Gebirge einer der größten Solarparks der Welt. Im Mittelpunkt wird ein etwa 242 Meter hoher Solarturm aufragen, der ab 2017 über konzentriertes Sonnenlicht Strom mit 150 Megawatt Leistung produzieren soll.

„Der Solarpark in Ouarzazate spielt eine wichtige Rolle für die Energieversorgung Marokkos“, sagt Mamoun Bedraoui Drissi, Projektmanager von Masen, der marokkanischen Agentur für erneuerbare Energien. Seit knapp einem Jahr speist die erste Solaranlage im Ouarzazate-Komplex bereits Wüstenstrom ins marokkanische Netz. Das solarthermische Parabolrinnenkraftwerk Noor I bringt es auf eine Leistung von 160 Megawatt. 200 Megawatt wird das Nachbarkraftwerk Noor II ebenfalls mit Parabolspiegeln ab 2017 erreichen.

Parallel entsteht die Solarturmanlage Noor III, deren knapp 200 Meter hohe Basisturm kürzlich fertig gestellt wurde und einsam aus der staubigen Baustelle aufragt. Dutzende Arbeiter schweißen derzeit an einer Stahlkonstruktion, die auf den riesigen Betonstumpf aufgesetzt wird und allein mehr als 40 Meter hoch sein wird. Mit etwa 242 Metern Gesamthöhe wird Noor III nach heutigem Stand eines der höchsten Solarturmkraftwerke der Welt sein und auch den Titel als höchstes Gebäude Afrikas tragen dürfen.

Um aus der Wärme der Sonnenstrahlung elektrischen Strom zu erzeugen, entsteht rund um den Solarturm auf einem 650 Hektar großen, oval förmigen Areal ein gigantisches Spiegelfeld. Die etwa zehn Meter hohen Betonpfeiler für die insgesamt 7.400 Spiegel stehen bereits im rötlichen Steppenboden. Teils sind die jeweils 180 Quadratmeter großen Spiegelflächen der sogenannten Heliostaten bereits montiert. Sie werden in wenigen Monaten das Sonnenlicht auf die Spitze des Turms fokussieren.

Über eine Motorsteuerung können die Heliostaten dem Lauf der Sonne im Sekundentakt folgen. Das gebündelte Sonnenlicht wird auf ein Bündel aus hunderten, etwa 20 Meter langen Stahlröhren, den Receiver, treffen. Diese Röhren erhalten einen schwarzen, hitzebeständigen Anstrich, um möglichst viel Sonnenlicht absorbieren zu können. Damit erwarten die Ingenieure Temperaturen von etwa 540 Grad Celsius. Diese Hitze heizt im Betrieb flüssige Salze – eine Mischung aus Natrium- und Kaliumnitrat – auf, die durch die Stahlröhren zirkulieren. Die schwer vorstellbare Menge von 40.000 Tonnen Salz werden dazu mit Pumpen permanent in Bewegung gehalten. Während der gesamten Betriebsdauer dürfen sie nicht auf unter 200 Grad abkühlen. Dann würden die flüssigen Salze erstarren und den Pumpkreislauf verstopfen.

Am Boden neben dem Turm übertragt das flüssig-heiße Salz einen Teil der Hitze in einem Wärmetauscher auf Wasserdampf. Mit diesem lässt sich schließlich wie in einem konventionellen Kohlekraftwerk die Turbine eines Stromgenerators antreiben. Da die Salze die Hitze gut speichern können, soll dieser Prozess selbst nach Sonnenuntergang bis zu sieben Stunden weiterlaufen und auch in den dunklen Abendstunden zuverlässig Strom erzeugen. Genau diese Speicherfähigkeit ist der zentrale Vorteil der solarthermischer Kraftwerke vor deutlich günstigeren Photovoltaik-Anlagen. „Im Unterschied zur Photovoltaik können solarthermische Kraftwerke Strom produzieren, wenn er gebraucht wird“, sagt Alexander Stryk, Solarthermie-Experte vom Ingenieurbüro Lahmeyer International in Bad Vilbel. So habe Marokko darauf Wert gelegt, erneuerbaren Strom während der Spitzenlast in den Abendstunden produzieren zu können.

Der Solarpark in Ouarzazate mit drei Solarthermie- und einem Photovoltaik-Kraftwerk (70 Megawatt) soll nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 2018 insgesamt 580 Megawatt Leistung erbringen. Das reicht dann für die Versorgung von etwa 1,3 Millionen Menschen aus. Die Kosten summieren sich auf 2,2 Milliarden Euro, von denen die Bundesregierung und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 864 Millionen Euro größtenteils als zinsvergünstigten Kredit besteuern. Derzeit befinden sich in Marokko noch weitere vier Solarparks ähnlicher Größe in der Planungsphase. Die Erfahrungen aus der Anlage in Ouarzazate werden mit darüber entscheiden, welche Technologien – Solarthermie mit Parabolspiegeln oder Solarturm oder doch mehr Photovoltaik – in Zukunft für die Stromgewinnung in sonnenreichen Regionen genutzt werden. „Marokko ist auf jeden Fall Vorreiter für die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen“, sagt Markus Faschina vom KfW-Büro in Rabat. „Und dieses Projekt strahlt deutlich über den afrikanischen Kontinent hinaus.“

© Wissenschaft aktuell
Quelle: Eigenrecherche Marokko


 

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