Bücher, Papier und der Duft des Zerfalls

Analyse flüchtiger organischer Substanzen verrät Erhaltungszustand von Papierdokumenten
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London (Großbritannien)/Ljubljana (Slowenien ) - Die richtige Nase erkennt, ob ein altes Buch langsam zerfällt - allein aus den Geruchsstoffen, die altem Papier entströmen. Das berichten britische und slowenische Forscher, die auf dieser Basis einen Test entwickelten, der anders als bisher keine Proben des Papiers mehr benötigt. Der Zustand des Buches oder anderer Schriftstücke lässt sich dabei aus dem Gemisch Hunderter so genannter flüchtiger organischer Substanzen (VOC) erkennen, die Papier beim Zerfall an die Luft abgibt. Das schreiben die Forscher im Fachblatt "Analytical Chemistry". Damit könnten Archive und Museen einst zerstörungsfrei ihren Bestand überprüfen und gezielt Erhaltungsmaßnahmen ergreifen. Eventuell lässt sich die Duftstoffmethode auch auf andere historische Objekte anwenden.

"Das Aroma eines alten Buches kennt jeder Besucher einer herkömmlichen Bibliothek: eine Kombination aus Gras-Noten mit einem Hauch Säure und einer Vanille-Note über einer Grund-Muffigkeit", schreibt das Team um Matija Strlič vom University College London. "Die spezielle Mischung der Substanzen ist das Ergebnis eines Netzwerks von Zerfallswegen und hängt von der ursprünglichen Zusammensetzung des Objekts ab, einschließlich Papiersubstrat, aufgetragene Substanzen und Bindung." Strličs Londoner Team und Kollegen in Slowenien hatten die ausströmenden Düfte von 72 historischen Papierdokumenten aus dem 19. und 20. Jahrhundert analysiert. Sie identifizierten 15 VOCs, die sich offenbar gut als Markerdüfte eignen, um den Zerfall von Papier zu verfolgen, darunter solche von Kiefernharz und Lignin, einem Holzbestandteil.

Papier wurde über die Jahrhunderte hinweg aus unterschiedlichen Materialien hergestellt. Wichtig sind Fasern als Grundstoff, die etwa in Ägypten dem namensgebenden Papyruspflanzen entstammen. Im frühen China nutzte man vor allem Seidenabfälle und Bastfasern oder Reisstroh, im Rest der Welt Flachs und Hanf, Lumpen und später zerkleinertes Holz. Papier auf Holzbasis enthält jedoch Reste von Lignin und Säuren, die es deutlich schneller vergilben und zerfallen lassen als andere Papierarten. Aus der Kenntnis der Papierzusammensetzung und der Veränderung der Markerdüfte lassen sich gezielt Konservierungsmaßnahmen ergreifen, so die Forscher.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Material Degradomics: On the Smell of Old Books", Matija Strli, May Cassar et al.; Analytical Chemistry, vol 81 (20), pp 8617–8622


 

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