Blutplättchen fördern Ausbreitung von Krebs

Wird die Anheftung von Thrombozyten an Tumorzellen im Blut verhindert, entstehen weniger Metastasen in der Lunge
Neben roten und weißen Blutkörperchen zählen die Blutplättchen (künstlerische Darstellung) zu den zellulären Bestandteilen des Blutes.
Neben roten und weißen Blutkörperchen zählen die Blutplättchen (künstlerische Darstellung) zu den zellulären Bestandteilen des Blutes.
© Shutterstock, Bild 313801268
Strasbourg (Frankreich) - Tumorerkrankungen verlaufen in den meisten Fällen nur dann tödlich, wenn sich die Krebszellen im Körper ausbreiten und Tochtergeschwülste bilden. Daher besteht ein wichtiges Ziel der Krebsforschung darin, diese Metastasenbildung zu verhindern. Französische Mediziner haben jetzt einen Mechanismus entdeckt, der an der Entstehung von Lungenmetastasen beteiligt ist. Demnach lagern sich Blutplättchen und Tumorzellen, die ins Blut eingedrungen sind, über spezielle Bindeproteine zusammen. Das löst in den Blutzellen verschiedene Reaktionen aus, die es den Tumorzellen ermöglichen, durch die Wand des Blutgefäßes zum Beispiel in Lungengewebe einzudringen. In Tierversuchen ist es gelungen, das Ankoppeln der Blutplättchen an Krebszellen zu blockieren und damit die Metastasenbildung zu hemmen, berichten die Forscher im Fachblatt „JCI Insight“.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein spezielles Bindeprotein – ein sogenanntes Integrin – der Blutplättchen und der Rezeptor ADAM9 der Tumorzellen neue therapeutische Angriffspunkte darstellen, um Metastasen zu verhindern“, schreiben Pierre Henri Mangin von der Université de Strasbourg und seine Kollegen. Die Entstehung von Metastasen verläuft in mehreren Schritten: Zunächst löst sich eine Zelle aus dem Krebsgewebe des Primärtumors, dringt – direkt oder über einen Lymphknoten – in ein Blutgefäß ein und wird mit dem Blutstrom weitertransportiert. Dann heftet sie sich an die Gefäßwand, durchbricht sie, dringt in ein Gewebe ein und bildet dort durch fortgesetzte Zellteilungen ein Geschwulst. Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass sich im Blut Blutplättchen, sogenannte Thrombozyten, an die Tumorzellen anlagern. Die Forscher wollten nun herausfinden, wie diese Bindung zwischen den Zellen zustande kommt.

Sie arbeiteten mit Mäusen, denen Brustkrebszellen übertragen wurden. Nach den Primärtumoren entwickelten sich bei den Tieren auch Metastasen in den Lungen. Bei genetisch veränderten Mäusen, deren Blutplättchen das Bindeprotein Integrin-alpha6-beta1 nicht mehr produzieren konnten, wuchsen nur noch halb so viele Metastasen wie bei normalen Mäusen. Auch Mäuse mit Melanomen oder Darmtumoren bildeten weniger Lungenmetastasen, wenn ihre Thrombozyten nicht über dieses Integrin verfügten. Die Blutplättchen von Menschen lagern sich mit Hilfe desselben Integrins an Krebszellen an.

In weiteren Experimenten konnten die Forscher auch die Bindungsstelle auf der Tumorzelle identifizieren: das Protein ADAM9. Der Zellkontakt über die beiden Bindeproteine aktiviert Prozesse in den Blutplättchen, die den Krebszellen das Durchdringen der Blutgefäßwand erleichtern. ADAM9 wurde auch bei zahlreichen Typen menschlicher Tumorzellen nachgewiesen. Je stärker die Produktion dieses Proteins, desto größer war das Risiko von Metastasen und desto kürzer war die Überlebensdauer eines Patienten.

Als die Forscher das Integrin durch Behandlung mit einem Antikörper blockierten, entwickelten sich in den Versuchstieren mit Brustkrebstumoren weniger Lungenmetastasen. Ein solcher Wirkstoff, der auf die eine oder andere Art verhindert, dass sich Thrombozyten an Krebszellen anheften, könnte daher in der Krebstherapie eingesetzt werden, um die Metastasenbildung schon im Frühstadium zu blockieren.

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