Besser lernen mit Stift statt Tastatur

Damit der Lernstoff optimal erinnert wird, sollte er lieber analog als digital notiert werden
Princeton (USA)/Los Angeles (USA) - Leise klappernde Tastaturen bei Vorlesungen, teils sogar im Unterricht, sind heute keine Seltenheit mehr – allerdings nicht unumstritten. Jetzt liefert eine neue US-Studie den Gegnern solcher Elektronik neue Argumente. Denn wer handschriftlich notiert, so die Forscher, der versteht und behält den Inhalt eines Vortrags messbar besser. Außerdem bleibt das Verstandene länger im Gedächtnis, berichten sie im Fachblatt „Psychological Science“. Das gelte vor allem für komplexe Zusammenhänge und gedankliche Transferleistungen, weniger nur für Sachwissen. Offenbar fördert handschriftliches Notieren einen bewussten Umgang mit dem Lernstoff und damit das kognitive Verarbeiten im Hirn. Frühere Studien hatten vor allem untersucht, ob und inwieweit elektronische Hilfsmittel vom Lernstoff ablenken.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Laptops im Unterricht – selbst wenn sie wie vorgesehen und nicht zum Einkaufen bei Amazon genutzt werden – trotzdem die akademische Leistung beeinträchtigen können“, erklärt Hauptautorin der Studie Pam Mueller, Psychologin an der Princeton University. Gemeinsam mit Daniel Oppenheimer, heute an der University of California Los Angeles (UCLA), hatte Mueller in einer Reihe von Experimenten den Lerneffekt beim Mitschreiben per Hand und per Tastatur verglichen. Dafür bekamen zunächst 65 Collegestudenten jeweils in kleinen Gruppen Videovorträge über interessante, aber weniger bekannte Themen zu sehen. Entweder auf Laptops oder per Stift und Notizblock sollten sie dabei so mitschreiben, wie sie es gewohnt waren. Dann folgten mehrere Ablenkungsaufgaben, die unter anderem das Arbeitsgedächtnis forderten. Erst eine halbe Stunde später dann waren Fragen zum Inhalt der Vorträge zu beantworten: entweder Faktenwissen wie: „Welche drei Probleme beim Entziffern der Indus-Schrift hatte der Forscher erwähnt?“ – oder konzeptionelles Wissen wie: „Was ist an den genannten Beispielen der Indus-Schrift so bemerkenswert?“

Ging es um Faktenwissen, so punkteten die Testteilnehmer mit Laptop sogar ähnlich wie jene mit Stift und Papier – doch bei den konzeptionellen oder Transfer-Fragen, die also ein inhaltliches Verstehen abtesten, schnitten die Laptop-Probanden deutlich schlechter ab. Obendrein zeigte eine Kontrolle: Ausführlichere Niederschrift bedeutet nicht zugleich mehr Verstehen. Denn die digitalen Notizen umfassten im Schnitt wesentlich mehr Wörter als die handschriftlichen. Deutlich häufiger waren auch die Formulierungen des Vortrags per Tastatur wortwörtlich wiedergegeben.

„Möglicherweise beschäftigen sich Menschen beim handschriftlichen Notieren mehr mit dem Verarbeiten als beim Tippen in den Laptop“, schreiben die Forscher, „sodass sie nur die wichtigeren Informationen für ihre Notizen auswählen.“ Wer schnell tippen könne, neige einfach dazu, das Gehörte Wort für Wort niederzuschreiben – ohne groß darüber nachzudenken. Wer jedoch mit dem Schreiben nur langsam hinterher komme, müsse effizient das Wichtigste herausfiltern und in eigenen Worten zusammenfassen.

Deshalb warnen Mueller und Oppenheimer vor „stumpfsinnigem Mitschreiben“. Denn auch innerhalb jeder der beiden Gruppen bestätigte sich: Je fleißiger jemand mitgeschrieben hatte, desto besser erinnerte er sich zwar im Vergleich zu seinen fauleren Gruppenkollegen. Doch es galt auch: Je wortwörtlicher die Mitschrift, desto weniger Inhalt war hängengeblieben. Wer stattdessen – per Stift oder Tastatur – mehr den groben Inhalt notiert hatte, erinnerte sie sich deutlich besser.

Entsprechend informierten die Forscher die Probanden eines zweiten Tests über diesen Zusammenhang und forderten sie explizit dazu auf, wortwörtliches Notieren möglichst zu vermeiden. Auch das allerdings führte nicht zu spürbar besseren Ergebnissen – die Neigung oder die Gewohnheit erwies sich als stärker als der Vorsatz. Ein weiterer Vergleich, die Nachkontrolle eine Woche später untermauerte schließlich die Ergebnisse: Noch immer konnten sich die Stift-und-Papier-Probanden besser an die Inhalte der Vorträge erinnern als die Laptop-Probanden – selbst wenn beide noch einmal ihre Notizen hatten durchlesen dürfen.

Frühere Studien hatten bereits den Unterschied zwischen dem Schreiben und Tippen untersucht und unter anderem mithilfe von Hirnscans festgestellt, dass das Schreiben per Hand das Gehirn offenbar anders beschäftigt als das Tippen. Andere Untersuchungen zum Nutzen von Laptops in der Vorlesung hatten die Geräte meist für weniger hilfreich befunden – vor allem aber wegen des Multitasking-Effekts und den Ablenkungseffekt durch Spiele oder World Wide Web vom Lerninhalt.

„Ich sehe nicht, dass wir eine Menge Menschen dazu bringen werden, zum Notizblock zurückzukehren“, bewertet Mueller ihre Ergebnisse – allerdings gebe es heute diverse neue Technologien mit Tablets und elektronischen Stiften, die vielleicht den Handschrift-Effekt nutzen könnten. Im Endeffekt, rät die Forscherin, solle man das Notieren bewusster angehen. Für das optimale Lernen müsse man quasi gezwungen sein, die Informationen nicht gedankenlos niederzuschreiben, sondern bereits beim Eintreffen zu verarbeiten.

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