Baby-Großhirn weiter entwickelt als bisher gedacht

Spezialisierte Hirnteile reagieren auf Stimmen schon nach drei Monaten wie bei Erwachsenen
London (Großbritannien) - Menschliche Stimmen regen schon beim Baby dieselben Hirnregionen an, die auch beim Erwachsenen für die Verarbeitung solcher Signale verantwortlich sind. Offenbar sind Teile des Großhirns bereits im Alter von drei Monaten weiter entwickelt, als bisher angenommen, berichten britische Forscher. Mit Hirnaufnahmen durch funktionelle Kernspintomographie konnten sie zeigen, dass Babys wortlose menschliche Laute von anderen Geräuschen unterscheiden konnten und auf traurige Lautäußerungen besonders stark reagierten. Dieses Beispiel einer sehr frühen Spezialisierung von Teilen der Großhirnrinde sei von großer Bedeutung für das Verständnis der kindlichen Entwicklung, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal "Current Biology" (doi: 10.1016/j.cub.2011.06.009).

"Vielleicht weil die menschliche Stimme eine so wichtige soziale Funktion hat, spezialisiert sich das Gehirn schon sehr früh, um sie verarbeiten zu können", sagt Anna Blasi vom King's College London. Sie und ihre Kollegen untersuchten die Reaktion von menschlichen Lauten auf die Gehirnaktivität von 21 schlafenden Säuglingen im Alter zwischen drei und sieben Monaten. Das dazu eingesetzte Bildgebungsverfahren macht Hirnregionen sichtbar, die aufgrund eines erhöhten Stoffwechsels und verstärkten Blutflusses aktiviert sind.

Verschiedene Hirnregionen reagieren auf neutrale oder positive Laute

Lautäußerungen wie Gähnen, Husten oder Niesen aktivierten Hirnregionen des vorderen Temporallappens, die auch bei Erwachsenen als Reaktion auf menschliche Stimmen aktiv werden. Alltagsgeräusche nicht-menschlichen Ursprungs hatten nur einen geringen Effekt auf denselben Abschnitt der Hirnrinde. Traurig klingende menschliche Töne wie Weinen lösten stärkere Hirnaktivitäten aus als solche, die mit neutralen oder positiven Gefühlen verbunden waren. Dabei wurden Teile des orbitofrontalen Cortex und andere Gehirnabschnitte aktiviert. Das sind dieselben Bereiche, die auch bei Erwachsenen an der Verarbeitung von emotionalen akustischen Signalen beteiligt sind.

Die neuen Ergebnisse stehen in Einklang mit anderen Untersuchungen, nach denen Neugeborene auf die Stimme ihrer Mutter besonders stark reagieren und Babys zwischen den Stimmen von Männern und Frauen oder Kindern und Erwachsenen unterscheiden können. Möglicherweise lässt sich die funktionelle Kernspintomographie auch dazu einsetzen, um Verhaltensstörungen wie Autismus frühzeitig zu erkennen und den Erfolg von Therapien zu kontrollieren, sagt Declan Murphy, ein Mitglied des Forscherteams.

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Quelle: "Early Specialization for Voice and Emotion Processing in the Infant Brain", Anna Blasi et al.; Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2011.06.009


 

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