Auch noch mit Verspätung möglich: Regeneration nach Rückenmarksschädigung
"Die gute Nachricht ist: Wenn Axone aufgrund einer Verletzung des Rückenmarks durchtrennt wurden, können sie überredet werden, sich zu regenerieren, wenn eine Kombination von Therapien angewandt wird", erläutert Mark H. Tuszynski von der University of California in San Diego. "Das chronisch verletzte Axon ist nicht tot." Eine Reihe von Mechanismen verhindert im Normalfall die Regeneration verletzten Nervengewebes, darunter Narbenbildung, ein Defizit in der grundsätzlichen Wachstumsfähigkeit erwachsener Neurone, die Anwesenheit von Wachstumshemmern oder auch Entzündungsreaktionen. Selbst unter idealen Laborbedingungen ist das regenerative Wachstum von Axonen eine komplexe Angelegenheit und erfordert die Kombination dreier Dinge: einer zellulären Brücke in die verletzte Region, spezieller Wachstumsfaktoren, die die Nervenfasern in die richtigen Bereiche leiten sowie eines Stimulus, der bestimmte Regenerationsgene in den verletzen Nervenzellen anschaltet.
Mithilfe einer Therapie, die auf dieser Kombination von Faktoren basierte, gelang es den Forschern tatsächlich, bei Ratten mit Rückenmarksverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule erfolgreich eine Regeneration des Nervengewebes anzuregen - auch noch lange nach der Schädigung. Sie begannen mit der Therapie 6 Wochen bis zu 15 Monate nach der Verletzung. 15 Monate sind für eine durchschnittliche Laborratte mit einer Lebenserwartung von etwa maximal drei Jahren ein sehr langer Zeitraum, und auch nach dieser langen Zeit war die Behandlung wirksam. Die verspätete Kombinationstherapie aktivierte spezielle Prozesse, die sonst mit einer akuten Verletzung einhergehen.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass selbst in chronischen Stadien der Verletzung das Potenzial für eine Reparatur des verletzen Rückenmarks besteht", sagt Tuszynski. Die regenerierenden Nervenfasern wachsen zwar nur über kurze Distanzen, doch selbst dieses Wachstum könne schon nützlich sein und wenigstens kleine Verbesserungen bringen und damit Lebensqualität oder ein kleines Stück Unabhängigkeit wiederherstellen. Diese Untersuchungen beschränkten sich auf Nervenbahnen, die für die Verarbeitung von Sinneseindrücken zuständig waren. Die Forscher testen den Ansatz aber auch bei Nervenfasern, die an der Kontrolle von Bewegungen beteiligt sind.