Arteriosklerose – eine Stammzellkrankheit

Forscher entdecken in den Wänden von Arterien und Venen eine bisher unbekannte Art von Stammzellen, deren Wachstum Gefäßkrankheiten auslösen kann
Zwischen den Muskelzellen (grün) in der Wand einer gesunden Arterie gibt es ruhende Gefäßstammzellen (gelb), deren Aktivierung zu einer Arteriosklerose führen könnte.
Zwischen den Muskelzellen (grün) in der Wand einer gesunden Arterie gibt es ruhende Gefäßstammzellen (gelb), deren Aktivierung zu einer Arteriosklerose führen könnte.
© Song Li illustration
Berkeley (USA) - Aktivierte Stammzellen in den Wänden von Blutgefäßen liefern eine neue Erklärung dafür, wie Arterien verkalken. Solche Gefäßstammzellen haben amerikanische Forscher jetzt bei Mäusen und Menschen entdeckt. Bisher galt ein krankhaftes Wachstum von speziellen Muskelzellen der Gefäßwände als Hauptursache verengter Arterien und Venen. Die neuen Experimente zeigen stattdessen, dass Entzündungsreaktionen – ausgelöst durch verletzte Blutgefäße – einen bisher unbekannten Typ von Stammzellen zur Vermehrung anregen. Sie entwickeln sich zu Muskelzellen, aber auch zu Knorpel- und Knochenzellen, was die Verengung und Verkalkung erklärt. Jetzt sei die Entwicklung gezielter Therapien möglich, um Gefäßkrankheiten effektiver als bisher zu behandeln, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Communications“.

„Wir liefern erstmals Beweise dafür, dass eine Gefäßkrankheit in Wirklichkeit eine Art von Stammzellkrankheit ist“, sagt Song Li von der University of California in Berkeley, der Leiter des Forscherteams. Am Beginn des Krankheitsverlaufs stehen Verletzungen der inneren Blutgefäßwand und Ablagerungen von Cholesterin, wodurch Immunzellen angelockt werden. Entzündungsreaktionen lassen dann ein Narbengewebe wachsen, wodurch sich das Gefäß verengt. Bisher glaubte man, dass dieses Gewebe aus Muskelzellen der Gefäßwand hervorgeht, die normalerweise für die Elastizität gesunder Blutgefäße sorgen.

Mit Hilfe gentechnisch veränderter Mäuse zeigten die Forscher, dass die krankhafte Veränderung der Gefäßwand nicht von reifen Muskelzellen ausgeht. Bei den Tieren waren diese Zellen mit einem grün fluoreszierenden Farbstoff markiert und machten mehr als 90 Prozent aller Blutgefäßzellen aus. Nachdem die Wissenschaftler Gefäßzellen der Mäuse einen Monat lang in einer Nährlösung bebrütet hatten, entwickelten sich daraus veränderte Zellformen, die aber unter dem Mikroskop nicht grün leuchteten. Sie konnten also nicht aus den Muskelzellen entstanden sein. Es stellte sich vielmehr heraus, dass zunächst unerkannte Stammzellen zur Vermehrung angeregt worden waren. Diese hatten die Fähigkeit, sich nicht nur in Muskelzellen, sondern auch in Knorpel-, Knochen-, Nerven- und Fettzellen umzuwandeln.

„Niemand wusste, dass es diese Zellen in den Blutgefäßwänden gibt, weil bisher niemand danach gesucht hatte“, sagt Teammitglied Aijun Wang. Denselben Typ multipotenter adulter Stammzellen fanden die Forscher auch in den Wänden menschlicher Arterien. Die Ergebnisse ermöglichen es, völlig neue Strategien zu entwickeln, um Gefäßkrankheiten zu behandeln. Gesucht werden nun Wirkstoffe, die eine unkontrollierte Vermehrung der Gefäßstammzellen verhindern.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Differentiation of Multipotent Vascular Stem Cells Contributes to Vascular Diseases“, Zhenyu Tang et al.; Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms1867


 

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