Antike Tablette

Forscher analysieren Inhaltsstoffe von Medizin, die auf einem mehr als 2.000 Jahre alten Handelsschiff gefunden wurde
Florenz (Italien) - Das Wissen über medizinische und pharmazeutische Praktiken der Antike ist begrenzt und eher theoretischer Natur. Es beruht primär auf schriftlichen Quellen, in denen die Autoren über die damalige Heilkunde berichteten. Nun konnten italienische Forscher einen Einblick in die Praxis werfen, indem sie rund 2.000 Jahre alte Tabletten untersuchten. Gefunden hatte man die etwa einen Zentimeter dicken und vier Zentimeter durchmessenden Platten bereits bei Unterwasser-Ausgrabungen der 1980er Jahre in den Überresten eines vor Italien versunkenen Handelsschiffes. Sie hatten die Jahrhunderte in einem kleinen Zinnbehälter überdauert. Die umfangreichen Analysen enthüllten nun die Inhaltsstoffe der Tabletten: Sie bestehen hauptsächlich aus zwei Zinkverbindungen. Außerdem finden sich unter anderem auch eine Reihe pflanzlicher Überreste sowie Pollen und pflanzliche und tierische Fette und Bienenwachs. Aus Form und Zusammensetzung schließen die Forscher, dass es sich womöglich um ein Mittel zur Augenheilkunde gehalten hat, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences”.

„Diese Studie liefert wertvolle Informationen über uralte medizinische und pharmazeutische Methoden und über die die Entwicklung von Pharmakologie und Medizin über die Jahrhunderte“, schreiben Marta Mariotti Lippi von der Universität Florenz und ihre Kollegen. „Zusätzlich könnten unsere Daten, in Anbetracht des aktuellen Fokus auf natürliche Präparate, zu neuen Untersuchungen und Forschungen für die therapeutische Versorgung führen.“ Die Forscher hatten die chemischen, mineralogischen sowie botanischen Eigenschaften der scheibenförmigen Tabletten untersucht, die auf dem Wrack der „Relitto del Pozzino” gefunden worden waren. Das Handelsschiff, dessen Alter auf etwa 140 bis 130 vor Christus datiert wurde, war vor der Küste der Toskana gesunken und 1974 entdeckt worden. Erste Erkundungen waren 1982, archäologische Grabungen zwischen 1989 und 1990 durchgeführt worden. Die sechs flachen, grauen Scheiben waren der sehr gut erhalten gebliebene Inhalt einer kleinen Zinndose. Neben diesem Zinngefäß waren auch weitere Gegenstände mit vermutlich medizinischem Zweck gefunden worden, was darauf schließen lässt, dass ein Arzt mitsamt seiner Ausrüstung an Bord des Handelsschiffes gereist war.

Für ihre Analysen der Fragmente einer zerbrochenen Tablette setzten die Wissenschaftler diverse Methoden ein – darunter Licht- und Elektronenmikroskopie, unterschiedliche Spektroskopie-Verfahren und Gaschromatographie sowie Massenspektrometrie. Es stellte sich heraus: Mit Abstand die Hauptbestandteile der Tabletten sind zwei Zinkverbindungen: Hydrozinkit, auch als Zinkblüte bezeichnet, und Smithsonit, auch Zinkspat genannt. Darüber hinaus finden sich in den grauen Scheiben das Eisenoxid Hämatit, Bienenwachs, Pinienharz und eine Mischung pflanzlicher und tierischer Fette, zahlreiche weitere pflanzliche Überreste wie Leinenfasern, Stärkekörner unterschiedlicher Form und Größe und mindestens 53 verschiedene Pollen von Olive, Weizen und vielen weiteren Pflanzen. Da die Pollen von Pflanzen stammen, die von Insekten bestäubt werden, gehen die Forscher davon aus, dass sie eher durch eine Zutat wie ein Bienenprodukt in die Tabletten geraten sind als dadurch, dass sie einzeln und gezielt hinzugefügt wurden.

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