Wie wird man eigentlich Minister?

Wie man Minister wird, hängt vor allem vom politischen System ab, sagt ein deutscher Politikwissenschaftler. Eine langjährige politische Karriere muss man nur dann durchlaufen haben, wenn Parteifraktionen im System viel Macht haben
Jena - Je weniger Rücksicht Regierungschefs auf die eigene politische Fraktion nehmen müssen, desto freier sind sie in ihrer Entscheidung, wer ins Kabinett soll. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscher der Universität Jena nach der Analyse von rund 400 deutschen Minister-Biografien. Durch die zurückgehende Bedeutung der Länderparlamente, so zeigt der Wissenschaftler in seinem Buch "Der Weg ins Kabinett. Karrieren von Ministern in Deutschland", hätten in den letzten Jahren zunehmend Seiteneinsteiger einen Ministerposten bekommen.

"Zeige mir die Struktur des politischen Systems und ich sage dir, wer Minister wird", spitzt Lars Vogel von der Universität Jena sein Studienergebnis zu. Er hat die Karrieren von rund 400 Ministern im Bund und in den Flächenstaaten vor ihrer Ernennung untersucht und wiederkehrende Muster in diesen Karrieren durch die politische Ordnung in Deutschland erklärt. So seien Regierungen in Deutschland von der Unterstützung einer parlamentarischen Mehrheit abhängig. "Bis in die 1980er Jahre waren dadurch nahezu alle Minister zugleich Abgeordnete", macht Vogel deutlich. Allerdings gehörte in den vergangenen Jahren nur noch rund die Hälfte aller neu ernannten Minister einem Parlament an. Vogel führt dies darauf zurück, dass vor allem die Landesparlamente an politischer Bedeutung verloren haben. "Damit wurden die Regierungschefs unabhängiger von ihren Fraktionen und ernennen vermehrt Minister von außerhalb des Parlaments."

Durch diese größere Unabhängigkeit hat der Anteil an Seiteneinsteigern ohne politische Erfahrung zugenommen, auch wenn Berufspolitiker immer noch stärker in den Kabinetten vertreten sind. Entgegen der landläufigen Meinung bieten Kabinettsposten nur selten ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis. Zwei Drittel aller Minister werden nur ein einziges Mal ernannt und 38 Prozent amtieren nicht einmal für eine vollständige Legislaturperiode. Damit stellt das Ministeramt für die meisten Politiker lediglich eine kurze Episode in ihrem politischen Leben dar. Nur bei einer kleinen Gruppe von Politikern dauerte die Amtszeit länger als acht Jahre. Diese Langzeitminister bleiben oft auch ihrem Ressort treu und werden dadurch zu Fachministern. Allerdings, so Vogel, sind diese Fachminister nicht unbedingt Spezialisten, die von außerhalb der Politik gekommen sind. "Ob jemand Fachwissen besitzt oder nicht, ist eben vor allem eine politische Frage", sagt Vogel. Wenn jemand also Fachwissen hat, das zur politischen Ausrichtung der jeweiligen regierenden Partei hat, ist dies wichtiger, als wenn er oder sie überhaupt in dem betreffenden Fachgebiet kompetent ist.

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Quelle: Vogel, Lars (2009): Der Weg ins Kabinett. Karrieren von Ministern in Deutschland; Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang Verlag.


 

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