Wie eine Verletzung eine Infektion vortäuschen kann

Bei Verletzungen gelangen Bestandteile von Mitochondrien ins Blut und lösen dieselben Immunreaktionen aus wie bei einer Sepsis
Foto: Elektronenmikroskopische Aufnahme zweier Mitochondrien
Foto: Elektronenmikroskopische Aufnahme zweier Mitochondrien
© Dartmouth College / Wikipedia Public Domain
Boston (USA) - Wenn sich nach einer Infektion Bakterien im ganzen Körper ausbreiten, löst das lebensbedrohliche Entzündungsreaktionen aus. Jetzt haben amerikanische Mediziner herausgefunden, warum schwere Verletzungen das gleiche systemische Entzündungssyndrom verursachen können. Danach gelangen nach einer Gewebeschädigung große Mengen von Bestandteilen der Mitochondrien aus zerstörten Zellen in das Blut. Der Körper reagiert darauf wie bei einer bakteriellen Sepsis, da die Mitochondrien große Ähnlichkeiten mit Bakterien haben. Denn diese Zellorganellen sind im Verlauf der Evolution von ehemals selbstständigen Bakterien zu festen Bestandteilen aller pflanzlichen und tierischen Zellen geworden, denen sie als Energieproduzenten dienen. Für eine effektive Behandlung des Entzündungssyndroms wäre es sehr wichtig, zwischen einer Infektion oder einer Wunde als Ursache zu unterscheiden, schreiben die Forscher im Fachjournal "Nature".

"Komplikationen durch Entzündungen sind direkt verantwortlich für etwa ein Drittel der durch Verletzungen verursachten Todesfälle", sagt Carl Hauser vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston. Da die Mitochondrien von Bakterien abstammen, weisen sie mehrere bakterielle Merkmale auf, die das angeborene Immunsystem alarmieren. Hauser und Kollegen konnten bei Patienten mit schweren Verletzungen stark erhöhte Blutspiegel an mitochondrialer DNA und mitochondrialen Proteinen nachweisen. Diese Substanzen werden von bestimmten Immunzellen fälschlicherweise als fremd erkannt, da sie an dieselben Rezeptoren ankoppeln wie bakterielle Moleküle. Die dadurch aktivierten Signalwege lösen Entzündungsreaktionen aus, die wie bei einer Sepsis zu Organversagen und Tod führen können. Das bestätigten die Forscher, indem sie Mitochondrien in Ratten injizierten und damit schwere Entzündungen von Lunge und Leber verursachten.

Während bei einer bakteriellen Sepsis Antibiotika hilfreich sind, muss ein durch Verletzungen ausgelöstes systemisches Entzündungssyndrom auf andere Weise behandelt werden. Jetzt lässt sich besser und schneller zwischen den beiden Ursachen unterscheiden. Die Forschungsergebnisse zeigen auch neue Ansatzmöglichkeiten für Therapien, die entzündungsbedingte Komplikationen bei schweren Verletzungen verhindern könnten. Typische Merkmale des systemischen Entzündungssyndroms sind Fieber, erhöhter Puls und niedriger Blutdruck sowie beeinträchtigte Funktionen verschiedener Organe.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Circulating mitochondrial DAMPs cause inflammatory responses to injury", Qin Zhang et al.; Nature, Vol. 464, p. 104, doi:10.1038/nature08780


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg