Wenn Frostschutz-Eiweiße das Eis vorm Schmelzen schützen
"Wir haben den Doppel-Hammer: einen Effekt, der die Eiskristalle am Wachsen und gleichzeitig am Schmelzen hindert", so Peter Davies, Professor für Biochemie an der kanadischen Queen's University. "Diese Entdeckung hilft erklären, warum diese Proteine so gut darin sind, den Rekristallisationsprozess zu stoppen." Gemeinsam mit Physikern der Ohio University in den USA und des Weizmann Institute of Science in Israel hatte Davies' Team Eiskristalle in einer Lösung aus Frostschutz-Proteinen über Stunden hinweg bei rund plus 0,5 Grad Celsius stabil halten können. "Das ist höchst ungewöhnlich", erklärt der Forscher: "Ohne das Protein wäre das völlig unmöglich".
Die so genannten "Anti-Freeze-Proteine" (AFP) sind seit mehreren Jahrzehnten bekannt dafür, dass sie - in der Körperflüssigkeit eingelagert - Pflanzen und Tiere auch unter dem Gefrierpunkt vor dem Tod schützen. Im Experiment bestätigten nun die Forscher die zwanzig Jahre alte Theorie, dass von AFP umhülltes Eis beim Erwärmen tatsächlich auch später schmilzt. Sie erhöhten die Temperatur langsam über null Grad Celsius hinaus und erhielten so genanntes "überhitztes" oder "superheißes" Eis: Noch bei plus 0,44 Grad Celsius behielt es seine Kristallform. Danach begann ein rascher Schmelzprozess, und zwar jeweils an einem bestimmten Punkt der Eisoberfläche, schreibt das Team. In allen Fällen sei der Verzögerungseffekt beim Erwärmen weit kleiner als der beim Abkühlen. Doch eindeutig sei durch die Messungen, dass sich die AFP für ihre Wirkung auf der Eisoberfläche anlagern müssten.
In der Natur droht der Erfrierungstod zum einen, wenn die Flüssigkeit im Körper zu Eis erstarrt und keine Stoffwechselprozesse mehr möglich sind. Zum anderen droht Zellzerstörung, weil Wasser sich beim Gefrieren zunächst ausdehnt und Zellen und Gefäße zum Platzen bringen kann. Obendrein verletzen wachsende Eiskristalle das Gewebe. Dieser Effekt ist bei Lebensmitteln als Gefrierbrand bekannt, wenn sie durch schlechte Temperaturkontrolle wiederholt auftauen und wieder einfrieren. Durch Rekristallisation entstehen große Eiskristalle, die das Gewebe von Gemüse oder Fleisch beschädigen und graue Flächenschäden verursachen. Bei lebenden Tieren oder Pflanzen, deren Körpertemperatur um den und unter den Nullpunkt absinkt, können die AFP in der Körperflüssigkeit solche Schäden vermeiden helfen. Sie sind bei Bakterien und Fischen in arktischen Meeren bekannt, aber auch etwa von Käfern oder Gletscherflöhen.