Wann Geheimnisse die Freundschaft sichern

In sozial sehr mobilen Gesellschaften wie in der westlichen Welt funktionieren Freundschaften anders als in asiatischen Gesellschaften mit stabilen Netzwerken
Hokkaido (Japan) - In den USA oder Europa teilen Freunde oft große Geheimnisse miteinander und erzählen sich persönlichste Erlebnisse. In Japan hingegen werden Freundschaften oft über die Zugehörigkeit zum gleichen privaten Netzwerk definiert. Diesen fundamentalen Unterschied fand jetzt ein amerikanisch-japanisches Forscherteam per Datenerhebung unter Studenten beider Nationen heraus. Beide Verhaltensweisen in Freundschaften dienen auf ihre Weise - zeigen die Forscher in der Fachzeitschrift "Psychological Science" - zur Erhaltung der Freundschaft über lange Zeit.

"Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, dass in Japan sich die Menschen auch in Freundschaften kaum öffnen und dem anderen nur wenig von sich erzählen", sagt Joanna Schug von der Universität Hokkaido. "Aber auch die Japaner wundern sich und fragen sich im Kontakt mit Amerikanern: 'Warum erzählen die mir das alles über sich?'" Schug und ihre Kollegen untersuchten nun, ob diese grundverschiedenen Verhaltensweisen vielleicht Strategien zur Erhaltung der Freundschaften sind.

Studenten in den USA und Studenten in Japan füllten für diese Analyse einen Fragebogen aus, der unter anderem erhellen sollte, ob man und wem man aufregendste oder aufwühlendste Erlebnisse erzählte. Außerdem wollten die Forscher durch den Fragebogen herausfinden, wie die Probanden die Möglichkeiten einschätzten, selbst entscheiden zu können, jemanden aus seiner Umgebung kennen zu lernen. Und schließlich sollten die Versuchsteilnehmer noch angeben, wie viele neue Freunde und Bekannte sie in den letzten drei Monaten gefunden hätten.

Die Auswertung ergab, dass die amerikanischen Probanden prinzipiell von einer Instabilität von Freundschaften ausgingen, dass sie aber gleichzeitig ihren Freunden sehr persönliche Details aus ihrem Leben offenbarten. Die japanischen Befragten hingegen sahen ihre Beziehungen zu Freunden und Bekannten als grundsätzlich stabil an. Gleichzeitig hielten sie es für eher unwahrscheinlich, dass sie Freunden von ihren persönlichsten Erlebnissen erzählen würden. So ergab sich für laut Joanna Schug ein paradoxer Befund: Obwohl man in den USA sehr viel individualistischer ausgerichtet ist als in Japan, können die Beziehungen zu anderen Menschen in den USA sehr viel intensiver sein als in Japan, das von vornherein mehr Wert auf das "Wir" legt. Der Grund liegt im Teilen von geheimen oder persönlichen Erlebnissen, das in den USA sehr viel verbreiteter ist als in Japan.

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Quelle: "Relational Mobility Explains Between- and Within-Culture Differences in Self-Disclosure to Close Friends", Joanna Schug, Masaki Yuki, William Maddux; Psychological Science, im Druck


 

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