Versteckspiel im Pflanzenreich
"Es ist schon lange gezeigt worden, dass Tiere täuschende Färbungen als einen Verteidigungsmechanismus einsetzen, um sich visuell einer Komponente ihrer natürlichen Umgebung anzupassen, was dem Vermeiden von Räubern dient", erläutert Matthew Klooster von der Harvard University. "Wir haben nun experimentell nachgewiesen, dass Pflanzen eine ähnliche Strategie entwickelt haben, um ihre Pflanzenfresser zu vermeiden." Den Biologen war aufgefallen, dass bräunlich vertrocknete Blätter die deutlich auffälligeren Stängel und Blüten von Monotropsis odorata umhüllen. Bei einer großen Population der Waldpflanzen gingen sie dem Phänomen auf den Grund. Sie entfernten bei einigen Exemplaren die trockenen äußeren Blätter, die den drei bis fünf Zentimeter hohen Strunk mit den Blüten bedecken, und maßen die Reflexionsmuster der unterschiedlichen Pflanzenteile und deren natürlicher Umgebung. Das Muster der Hüllblätter entsprach dabei in etwa dem der Blattabfälle, auf denen die Waldpflanze gedeiht, unterschied sich aber eindeutig von dem der Stängel und Blüten.
Wie effektiv die Tarnung in der Praxis vor Pflanzenfressern schützt, zeigte sich auch im Experiment: Pflanzen mit intakten verhüllenden braunen Blättern erlitten durch Fressfeinde nur etwa ein Viertel des Schadens jener Exemplare, bei denen die Forscher diese Blätter entfernt hatten. Die Tarnung sichert auch ihre Fortpflanzung effektiver, da sie mit ihrer Hilfe deutlich mehr reife Früchte produzieren. Beinahe paradox mutet an, dass Monotropsis odorata dafür auf den Besuch bestäubender Insekten angewiesen ist. Viele Blütenpflanzen locken diese Besucher mit prächtigen Farben an. Monotropsis odorata muss dazu eine Alternative gefunden haben. Die Botaniker vermuten, dass sie dies mit sehr starken Duftstoffen erreicht. Tatsächlich beobachteten die Forscher, dass die Pflanze ausgiebigen Besuch von Hummeln erhält - selbst wenn Stängel und Blüten völlig von den trockenen Blättern versteckt waren.