Verliehene Macht macht heuchlerisch – erarbeitete Macht macht kritisch

Offenbar gibt es einen festen Zusammenhang zwischen verliehener Machtfülle und moralischem Fehlverhalten
Tilburg (Niederlande)/Evanston (USA) - Warum geraten ausgerechnet Politiker, die traditionelle Werte wie Familie und Kirche hochhalten, wegen einer Callgirl-Affäre in die Schlagzeilen? Warum hinterziehen manche Vorstandsvorsitzende von Wirtschaftsunternehmen Steuern im großen Stil, obwohl sie wahrlich nicht zu darben brauchen? Offenbar macht Macht fast automatisch heuchlerisch, wenn der Machtinhaber nicht selbst sehr auf sich achtet, fand jetzt ein niederländisch-amerikanisches Psychologenteam heraus. Es entwickeln aber nur jene Machtinhaber ein heuchlerisches Verhalten, die ihre Macht verliehen bekommen und nicht durch Arbeit erworben haben, legen die Forscher in der Fachzeitschrift "Psychological Science" dar.

"Diese Forschung ist gerade vor dem Hintergrund der großen Skandale von 2009 bedeutsam, bei denen es darum ging, dass das private Verhalten von Machtinhabern in eklatantem Widerspruch zu dem stand, was sie öffentlich propagierten", sagt Adam Galinsky von der Northwestern University. "Unsere Forschung ergab, dass Macht und Einfluss zu einem sehr ernsten Missverhältnis zwischen privatem Verhalten und öffentlichen Äußerungen führt. Die Mächtigen sind sehr streng in der Beurteilung des Verhaltens von anderen, während sie in Bezug auf ihre eigenen Handlungen sehr nachsichtig sind."

Galinsky und seine Kollegen Joris Lammers und Diederik A. Stapel von der Universiteit van Tilburg hatten in mehreren Experimenten Versuchspersonen als Machtinhaber und einfache Bedienstete in Rollenspielen agieren lassen. In den Spielen konstruierten die Forscher moralische Dilemmata, die beispielsweise mit Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, mit Steuererklärungen oder mit der Rückgabe eines gestohlenen Fahrrads zu tun hatten. Dabei zeigte sich, dass auch die Versuchspersonen, die ja im normalen Leben nicht Minister oder Aufsichtsratsvorsitzende waren, sofort Verhaltensweisen an den Tag legten, die man als moralische Verfehlungen von Politikern kannte. So regten sich die Versuchspersonen in der Rolle der Mächtigen darüber auf, wenn ihre Bediensteten zu hohe Spesen geltend machten. Sie selbst aber ergriffen gern die Gelegenheit, in einem Würfelspiel zu betrügen, durch das man Lotteriegewinne erlangen können sollte. Auch im Falle der Steuerhinterziehung oder des Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung fanden die Mächtigen das Verhalten ihrer Bediensteten verwerflicher als ihr eigenes.

In einem der Experimente testeten die Forscher, ob und inwiefern es wichtig ist, wie jemand zu seiner Machtposition gekommen ist. Dabei stellte sich heraus, dass das heuchlerische Verhalten vor allem für jene Mächtigen typisch ist, die durch die Verleihung von Ämtern, etwa durch Wahl, zu ihrer Macht gekommen sind. Wer sich seine Macht hingegen erarbeitet hat, etwa indem er eine Firma gründete und darum ihr Chef ist, ist oft strenger mit sich selbst als mit anderen. Diese Einstellung ist übrigens auch bei denen festzustellen, die keine besondere Macht haben, so die Forscher.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Power Increases Hypocrisy: Moralizing in Reasoning, Immunity and Behavior", J. Lammers, D.A. Stapel, A. Galinsky; Psychological Science, 2010, im Druck


 

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