Überzahl von Homo sapiens besiegelte das Ende der Neandertaler

Das bislang ungeklärte Aussterben der Neandertaler ist vor allem auf eine zahlenmäßig zehnfache Überlegenheit zurückzuführen - - Weitere Faktoren beschleunigten den Ablauf
Cambridge (Großbritannien) - Lange Zeit diskutieren Forscher darüber, warum die europäischen Neandertaler nach 300.000 Jahren Dominanz relativ schnell vom modernen Menschen - dem Homo sapiens - verdrängt werden konnten. Eine mögliche Antwort ist jetzt gefunden: Die schiere Masse der Neuankömmlinge war offenbar übermächtig. Der zehnmal größeren Menge an Konkurrenten hatten die Neandertaler einfach nichts entgegenzusetzen, schreiben englische Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science". Hinzu kam wohl eine technische, kulturelle und sprachliche Überlegenheit der Einwanderer aus Afrika. Die Forscher hatten detaillierte statistische Analysen genutzt, um archäologische Funde aus dem Südwesten Frankreichs zu untersuchen.

"Die Neandertaler zogen sich in weniger attraktive Regionen des Kontinents zurück, wo sie dann innerhalb weniger Tausend Jahre ausstarben", meint Paul Mellars. Der Archäologe von der britischen University of Cambridge hält es auch für möglich, dass diese Entwicklung durch einen plötzlichen Klimawechsel vor rund 40.000 Jahren beschleunigt wurde. In den extrem kalten Wintern hätten die modernen Menschen dann zusätzliche Vorteile durch ihre überlegenen Jagdmethoden und weiter reichenden Speere. Außerdem seien sie den Neandertalern in der Verarbeitung und Lagerung der Lebensmittel überlegen gewesen, was auch geholfen habe, lange Winter zu überstehen. Gleiches gelte für die bessere soziale Kontakte von Homo sapiens, die Handel und den Austausch von Nahrungsmitteln erlaubte.

Da Homo sapiens und die Neandertaler um die besten Plätze für Behausungen, die gleiche Jagdbeute sowie Brennmaterialien konkurrierten, zogen die Letztgenannten immer öfter den Kürzeren. Laut den Autoren dürfte sich die zahlenmäßige Überlegenheit insbesondere bei den unvermeidbaren, immer häufigeren Konflikten zugunsten des modernen Menschen ausgewirkt haben. Dabei dürfte auch die bessere Zusammenarbeit von Homo sapiens-Gruppen wichtig gewesen sein.

Ob die modernen Menschen auch weiter entwickelte Hirne als die Neandertaler besaßen, wird nach wie vor intensiv diskutiert. Allerdings weisen anspruchsvolle Kunstformen wie Höhlenmalereien sowie eine große Menge dekorativer Gegenstände zumindest auf eine weiter entwickelte soziale Kommunikation von Homo sapiens hin. Diese wurde wahrscheinlich von einer komplexeren Sprache begleitet, die sich vermutlich 20.000 bis 30.000 Jahre vor der Wanderung von Homo sapiens aus Afrika nach Europa entwickelt hat, schreibt Mellars. Aktuellste genetische Analysen ließen außerdem darauf schließen, dass der afrikanische Homo sapiens und der europäische Neandertaler sich für mindesten eine halbe Million Jahre getrennt voneinander entwickelt haben, schreibt Mellars. Einige signifikante Unterschiede in den mentalen Fähigkeiten der beiden Urmenschen-Linien seien dann, vom evolutionären Standpunkt aus gesehen, nicht besonders überraschend.

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Quelle: "Tenfold Population Increase in Western Europe at the Neandertal–to–Modern Human Transition", Paul Mellars and Jennifer C. French; Science, Volume 333, Seiten 623-627; doi: 10.1126/science.1206930


 

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